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Hier finden Sie die retrodigitalisierten Fassungen der Ausgaben 1993 bis 2020 des Jahrbuches für Historische Kommunismusforschung (JHK).

Weitere Bände werden sukzessive online gestellt. Die aktuelle Printausgabe folgt jeweils zwei Jahre nach ihrem Erscheinen.

Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung wurde 1993 von Hermann Weber (†) als internationales Forum zur Erforschung des Kommunismus als europäisches und globales Phänomen gegründet. Das Jahrbuch enthält Aufsätze, Miszellen, biografische Skizzen, Forschungsberichte sowie Dokumentationen und präsentiert auf diesem Weg einmal jährlich die neuesten Ergebnisse der internationalen Kommunismusforschung.

Seit 2004 wird das Jahrbuch im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur herausgegeben und erscheint aktuell im Berliner Metropol Verlag.

Herausgeber: Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, Manfred Wilke.

Wissenschaftlicher Beirat: Thomas Wegener Friis, Stefan Karner, Mark Kramer, Norman LaPorte, Krzysztof Ruchniewicz, Brigitte Studer, Krisztián Ungváry, Alexander Vatlin.

Bitte richten Sie Manuskriptangebote an die Redaktion: jhk[at]bundesstiftung-aufarbeitung.de

JHK 2014

Deutscher oder sozialistischer Raum? Bildbände in der DDR

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 249-262 | Metropol Verlag

Autor/in: Henrik Nitsche

Die Bildbände, die in diesem Aufsatz vorgestellt und analysiert werden sollen, enthalten mit informativen Texten und Fotografien angereicherte Beschreibungen des Staates und lassen sich grob dem weitverzweigten Feld der Heimat- und Volkskundebücher zuordnen. Die ursprüngliche Intention war es, dem im Hinblick auf den nationalen Raum unwissenden Leser genau diesen mithilfe der Bildbände näherzubringen, seien es Touristen oder Bürger des Landes. Entwickelt hat sich diese Gattung aus Volks- und Heimatkundebüchern des 19. Jahrhunderts zu einer Zeit, in der der nationale Raum und sein Einfluss auf den Menschen zu einer wissenschaftlichen Disziplin aufsteigen konnten.

Die Geschichtswissenschaft schenkte diesen Bänden als Quellentypus bisher nur wenig Beachtung. Bei ihnen trifft in ähnlicher Komplexität zu, was Mathias Beer über den artverwandten Bereich der Heimatbücher geschrieben hat, nämlich dass sie ein »weites, weitestgehend unbeackertes und noch junges Forschungsfeld«1 darstellen. Ihre Besonderheit liegt darin begründet, dass in ihnen Texte, Karten und Bilder, die jeweils auf ihre eigene Art Räume beschreiben, in einzigartiger Weise zu einem Gesamterscheinungsbild des Raums zusammengefügt werden. Dieser Raum ist immer ein nationaler Raum. Er ist nicht regional begrenzt, obwohl das Regionale durchaus Teil des Nationalen sein kann. Auch das Soziale tritt hinter dem Nationalen zurück, mit dem immer eine politische Aussage verbunden ist: Wird der deutsche Raum als sozialistisch beschrieben, so ist dies immer als Abgrenzung zum System im Westen zu verstehen.

Das besondere Zusammenspiel verschiedener Medien in einem Band ermöglicht es, die Frage nach der nationalen räumlichen Wahrnehmung aus verschiedenen Blickwinkeln zu diskutieren. Jüngere Studien belegen, dass eine Beschränkung auf ein einziges Medium, wie beispielsweise die Karte, zur Beschreibung komplexer Raumverhältnisse oft nicht ausreicht: »Da diese nicht alleine diesen Prozess in seiner Gesamtheit erfassen können, ist es notwendig, auch auf andere visuelle Medien zurückzugreifen, die einen Raumbezug erzeugen.«2

In diesem Artikel werden drei Bände aus dem weitgehend noch unerschlossenen Quellenfundus vorgestellt und analysiert: Deutschland. Schöne Heimat, herausgegeben 1955 von Paul Beyer; Landschaften unserer Heimat aus dem Jahr 1973 des Autors und Fotografen Hans-Jochen Knobloch sowie Im Flug über die DDR von Lothar Willmann, erschienen 1983. Diese Bände stehen exemplarisch für die Gesellschaft und Politik der Zeit, in der sie verlegt wurden. In den Fünfzigerjahren war die Vereinigung der beiden deutschen Staaten zumindest zeitweise eine außenpolitische Option für die SED. Nach Mauerbau und zunehmender Abgrenzung der beiden deutschen Staaten voneinander veränderten sich die Inhalte der Bildbände. Nun galt es, die Eigenheit der DDR stärker in den Vordergrund zu rücken, die sich mittlerweile immer mehr von der Bundesrepublik entfernte und auch ihre Verfassung entsprechend korrigierte.

Neben diesen inhaltlichen Veränderungen sind es die in den Büchern benutzten Visualisierungsstrategien und die Verwendung von geschichtlich so bedeutsamen Vokabeln wie Raum, Heimat, Landschaft und Nation, die das Interesse des Historikers wecken. Der Gebrauch solcher Vokabeln in sozialistischen Quellen überrascht hierbei keineswegs. Alon Confino führte bereits aus, dass zumindest der Heimatbegriff ohne größere Probleme auch unter einer sozialistischen Regierungsform überleben konnte. Die ostdeutschen Kommunisten mussten demnach nur daran arbeiten, »to redfine it, to fit socialism to the Heimat system of knowledge and sensibilities«.3 Das spezifische Problem in der DDR sei es jedoch gewesen, »to reduce the spatial extent of its national identity conception to the confines of the GDR state territory«.4 Folglich war Heimatkunde in der DDR in den Fünfzigerjahren ein geachtetes Arbeitsgebiet, nachdem es den sozialistischen Vorstellungen angeglichen worden war.5 Heimatbücher erschienen weiterhin in großer Zahl, ehe sich Ende der Fünfzigerjahre die Kulturpolitik änderte und die Heimatkunde als »reaktionär« eingestuft wurde.6 Der vorhandene lokale Charakter der Heimatkunde sollte durch den sozialistischen Raum, der wiederum als Großraum nach sowjetischem Vorbild gedacht war, ersetzt werden.7 Dies hatte zur Folge, dass in der DDR die Begriffe Heimat und Vaterland gleichgesetzt wurden, um die Bürger enger an den Sozialismus zu binden.8 Parallel wurde dieser Raum von der Bundesrepublik immer weiter abgegrenzt. In Lehrplänen für das Fach Erdkunde wurde darauf verwiesen, »daß dort die Bergwerke und Fabriken sowie die großen landwirtschaftlichen Betriebe einigen Großkapitalisten und Großgrundbesitzern gehören«.9 Solche und ähnliche Äußerungen sollten dazu führen, dass »[d]ie Schüler erkennen, daß dort nicht die Arbeiter und Bauern die Macht ausüben«.10

Bildbände der Nachkriegszeit: Zwischen Einheitsrhetorik und 
Eigenständigkeit

Da in der DDR die Frage nach einer eigenen Identität im Schatten des Ost-West-Konflikts eine große Rolle spielte, überrascht es nicht, dass kurz nach der Gründung der DDR Bücher auf den Markt kamen, die über die Merkmale und die Gestalt des Landes aufklären sollten. Diese in ihrem Wesen auf ein breites Publikum zielenden Bücher hatten eine lange Tradition, die bis in das Kaiserreich zurückführte und deren Wurzeln in der frühen Heimatkunde des 19. Jahrhunderts liegen.11 Im Sinne dieser Tradition wurde, ähnlich wie später auch in der Bundesrepublik, auf den Begriff Heimat gesetzt. Die Bedeutung von Heimat im deutschen Nationaldiskurs ist außerordentlich groß, sie stand über 200 Jahre »at the center of German moral – and by extension political – discourse about place, belonging and identity«.12 Daraus musste aber, wie zuvor bereits angedeutet, nicht zwangsläufig ein Konflikt mit der Ideologie des Sozialismus entstehen.

Ein erster großer Kontrastpunkt zu den westdeutschen Quellen ergibt sich aus dem außenpolitischen Handeln und der Zugehörigkeit der DDR zum sowjetischen Machtsystem in Europa. Da die DDR die Oder-Neiße-Grenze ab 1950 anerkannte, galt der Raum östlich davon offiziell als polnisches Staatsgebiet und wurde folgerichtig auch nicht mehr als deutscher Raum dargestellt. Hinweise auf die frühere Zugehörigkeit dieser Gebiete zum Deutschen Reich oder eine Benennung von Vertriebenen verschwanden in der DDR mit dem Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950 endgültig aus allgemein zugänglichen Publikationen.13 Als Konsequenz aus diesen außenpolitischen Zwängen ergab sich, dass der nationale Raum zumindest auf politischer und territorialer Ebene von Anfang an in anderer Form beschrieben wurde als in westdeutschen Quellen, wo sich die Debatten um die Fortdauer des Deutschen Reiches und die Zugehörigkeit der Ostgebiete noch bis in die Siebzigerjahre fortsetzten. Diese einseitige Behandlung der Grenzfrage kam vor allem durch einen staatlichen Eingriff zustande. Wo in der Bundesrepublik offen revisionistische Positionen, etwa von Vertriebenenverbänden, publiziert werden konnten,14 verhinderte der Zugriff der SED auf die Verlage das Erscheinen solcher Werke. In der DDR wurde das Verlagswesen von 1949 an unter die Kontrolle der SED gestellt,15 alle Verlage unterstanden dem Kulturministerium. Zudem wurde von staatlicher Seite das Profil der einzelnen Verlage bestimmt, sodass Konkurrenz ein Fremdwort blieb, obwohl es immerhin fast 80 Verlage gab, die jährlich 6000 Bücher herausgaben.16 Offiziell konnten keine Bücher erscheinen, die nicht vorher mit den Richtlinien der SED abgestimmt worden waren. Hierfür gab es eigene Druckgenehmigungsverfahren, mit denen auf institutioneller Ebene Einfluss auf Verlage und Autoren ausgeübt wurde.17 Bildbände und landeskundliche Darstellungen in der DDR gaben somit auch immer ein Stück »Parteilinie« wieder. Daraus folgt jedoch nicht, dass die ostdeutschen Quellen wie ein monolithischer Block das immer gleiche Bild von Deutschland zeichneten. Räumlicher Wandel und Wahrnehmung können sich jenseits der Zugehörigkeit zu bestimmten Territorien und nationalen Diskursen vollziehen. Wie bereits in anderen Untersuchungen dargelegt wurde, bietet zudem der Blick auf den Wandel einer festgelegten Grenze neue Erkenntnisse.18

Der Propagandacharakter vieler offizieller Fotografien aus der DDR muss auch für Bildbände und Heimatbücher berücksichtigt werden. Er drückte sich in einer oft stereotypen Darstellung der Menschen aus, beispielsweise von dem Bauern auf dem Feld oder dem Arbeiter in der Fabrik.19 Doch diese Bilder allein erzeugten kein Abbild des sozialistischen Raumes. Auch im Westen waren Bauern ein häufiges und beliebtes Motiv.20 Dies zeigt, dass das Bild des Bauern auf dem Feld erst im Gesamtbetrachtungskontext mit einer bestimmten Textbotschaft seinen Mehrwert im sozialistischen Sinne erhielt.

Abgesehen von diesen markanten Unterschieden in Bezug auf das Staatsterritorium und die Staatsform lassen sich in Aufbau und Inhalt der untersuchten Bände im Unterschied zu früheren Publikationen aus den Fünfzigerjahren keine großen Unterschiede zwischen Ost und West feststellen. Beispielhaft sei hier der Band Deutschland. Schöne Heimat vorgestellt, der 1955 in Leipzig erschienen ist. Inhaltlich war dieser ein für Bildbände typisches Bündel aus Fotografien von Landschaften, Siedlungen, Denkmälern und Kulturgütern. Der gängigen Praxis für solche Bücher folgend, wurde in dem Band das Vorwort von einem bekannten Literaten verfasst. In diesem Fall war es Lion Feuchtwanger, der vor den Nationalsozialisten in die USA geflohene jüdische und in der DDR hoch angesehene Autor.

Für einen Literaten nicht unüblich, verwies Feuchtwanger in seinem Vorwort zunächst auf die Besonderheit einer gesamtdeutschen Kultur. Er bezeichnete die deutsche Sprache als etwas »[O]ffenes, über die Jahre starken Einflüssen von außen [A]usgesetztem«.21 In diesen Worten kommt das Verständnis des Autors von einer offenen Kultur zum Ausdruck, die, anders als beispielsweise im Nationalsozialismus, nicht in strikter Abgrenzung zu fremden Einflüssen betrachtet wird. Stattdessen hatte diese deutsche Kultur ihre Eigenheit gerade durch die Vermischung mit anderen Einflüssen erhalten. In diesem Sinne war auch der deutsche Kulturraum kein abgeschottetes Reservat, sondern bezog seine zugeschriebene Stärke aus dem Austausch mit anderen Nationen. Der Offenheit der Sprache stellte Feuchtwanger nichtsdestotrotz eine genau auszumachende Lokalisierung des deutschen Raumes gegenüber, für den er die Bezeichnung Landschaft wählte. Wird diese als ein »Geschlossenes betrachtet und aus einiger Distanz, nimmt sie ihre besondere Physiognomie an, gleich wie ein Menschenantlitz einmalig wird, erst wenn man es als ein Ganzes anschaut«.22 Diese Geschlossenheit bezieht Feuchtwanger nicht nur auf natürliche Merkmale, sondern auch auf die politische Ebene, wenn er an anderer Stelle schreibt: »Die deutsche Landschaft ist eins und unteilbar.«23

Dieses auf einen einheitlichen nationalen Rahmen abzielende Raumbild stimmt mit der offiziellen Linie der SED in den Fünfzigerjahren überein. Auch die Herausgeber des Buches griffen die Vorgabe Feuchtwangers auf und urteilten etwas lyrischer als der Literat selbst, »daß unser deutsches Land unendlich schön ist und daß es nur ein Deutschland gibt, ein unteilbar Ganzes, zu dem die deutsche Ostseeküste genauso wie die deutschen Alpen oder Franken genauso wie Thüringen gehören«.24 Die Teilung des Landes wurde vonseiten der Verfasser als »willkürlich«25 abgewertet, die deutsche Kultur dagegen als etwas, das sich eben durch eine solche Teilung nicht zerreißen lasse.26 Das Primat einer übergeordneten räumlich zueinander gehörenden Kulturnation gegenüber der Grenzziehung der Nachkriegsära blieb auch im Osten zunächst ein Element von Gewicht. Ähnlich wie im Westen setzten die Medien zusätzlich auf eine Art »Befreiungsrhetorik«. Der Westen Deutschlands müsse von seinem kolonialen Status befreit und als voller Bestandteil in die sozialistische Nation integriert werden.27 Da sich um Berlin bereits einer der ersten Brennpunkte des Kalten Krieges entwickelt hatte, der Status der Stadt auch nach der Krise von 1948/49 ein immerwährender Konfliktherd blieb, bot gerade die Darstellung dieser Stadt besonders viel Raum für Einheitsbotschaften. Berlin galt als alte »Brückenstadt«, die nur durch die »Überwindung der Spaltung Deutschlands die Voraussetzung für eine neue Blüte«28 erhielte. Natürlich konnten die Autoren davon ausgehen, dass die soziale und räumliche Verbindung der beiden Staatsgebiete sehr groß und das Gefühl der Menschen für einen gemeinsamen Raum und eine gemeinsame Nation in den Fünfzigerjahren noch immer ein stabiles Element waren. Auf diese Gefühle wurde daher, wie im Falle Berlins, intensiv eingegangen. Der Appell an die Einheit Deutschlands unterschied sich jedoch in einem wichtigen Punkt von westdeutschen Büchern der damaligen Periode: Es fehlten die Gebiete östlich der Oder-Neiße, die im Westen gerade den wichtigsten und elementarsten Bestandteil derartiger Bände im Zeitraum der Fünfziger- und Sechzigerjahre ausmachten.

Was die physischen Kriegsfolgen, die Zerstörung der Städte angeht, so bot der Band Deutschland. Schöne Heimat auch dafür Platz, was ungewöhnlich für Bücher aus dieser Periode war, da Kriegszerstörungen in Ost wie West eher ausgeblendet und der Blick auf die Zukunft gerichtet wurde. Dementsprechend war der Anteil solcher Fotografien sehr gering, dennoch wurden beispielsweise die zerstörten Städte Nürnberg und Dresden abgebildet. Im Falle Dresdens wurde als exemplarisches Bild die Ansicht der zerstörten Frauenkirche gewählt, eine Abbildung, die in den folgenden Jahren in Deutschland und weltweit Bekanntheit erlangte. Verwiesen wurde auch auf den Wiederaufbau Dresdens. »Aber Dresden entsteht aufs neue«,29 hieß es. Das neue Dresden erweckte beim Leser das Bild eines Ortes, an dem sowohl die alten Bauten wieder errichtet wurden als auch neue Wohnanlagen, die den Menschen Platz zum Leben gaben.

Die Gesamtauswahl der Bilder in den hier vorgestellten Publikationen zeigt zumeist Stätten, die einen direkten Bezug zum kommunistischen System hatten. Im Buch Deutschland. Schöne Heimat sind im Kapitel Berlin zwei Bilder der durch Fußgänger belebten Berliner Stalinallee zu sehen. Eine andere Bildserie zeigt das frühere Stalinstadt bei Fürstenberg. Das Abbilden dieser Musterprojekte der frühen DDR ist ein deutlicher Hinweis auf die damaligen Versuche, das Land nach sowjetischem Vorbild umzugestalten. Die Hervorhebung der sozialistischen Eigenheiten in der DDR unterschied diesen Raum damit klar vom kapitalistischen Westen. Das wirklich Interessante an diesen Bildern ist aber, dass sie dabei scheinbar mühelos neben ebenfalls abgebildeten alten deutschen Geistesgrößen wie Goethe oder Luther bestehen konnten und Schloss Sanssouci als Beleg für die »aus der Kraft des deutschen Volkes herauswachsende reiche deutsche Architektur« gelten konnte. 30 Auf visueller und räumlich-mentaler Ebene fand somit eine Verknüpfung der alten deutschen Kulturlandschaft mit einem neuen, sozialistisch geprägten Raum statt. Kennzeichen dieses neuen sozialistischen Raumes war seine urbane und industrielle Prägung. So mangelte es in dem Band Deutschland. Schöne Heimat nicht an Verweisen auf die industrielle Leistungsfähigkeit der DDR, welche zusammen mit den alten Kulturbauten das Bild eines neuen, kraftvollen und zukunftsorientierten Deutschland ergab. Bei genauer Betrachtung fällt auch auf, dass sich, obwohl der Band West- wie Ostdeutschland zeigte, also einen gesamtdeutschen Anspruch besaß, die Nachkriegsbauten vor allem auf dem Gebiet der DDR befanden. Die Fotos der größeren Städte in der DDR wurden zum überwiegenden Teil nach dem Krieg aufgenommen, als diese bereits eine Phase des planmäßigen Wiederaufbaus hinter sich hatten.

Besonderes Merkmal von Deutschland. Schöne Heimat ist die Einbeziehung der sorbischen Minderheit. Mehrere Fotos zeigen Frauen in der traditionellen Tracht der Sorben, jedoch keine als sorbisch ausgewiesenen Bauwerke. Der Text verweist auf die Anerkennung der Sorben als »nationale Minderheit […] bereits seit 1945« und deren »eigenständige Sprache«.31 Der Raum wurde damit in diesem Band nicht ausschließlich als rein von Deutschen bewohnter Raum ausgewiesen, was ihn damit deutlich von damaligen westdeutschen Pendants unterschied, die nicht weiter auf die in der BRD und der DDR lebenden Minderheiten eingingen.

Abgegrenzter Raum ohne sichtbare Grenze. Die DDR von 1962 bis 1989

Die Veränderungen in den deutsch-deutschen Beziehungen, bedingt durch Mauerbau, westdeutsche Ostpolitik und den damit einhergehenden Wandel durch Annäherung und die KSZE-Konferenz in Helsinki,32 hatten dazu geführt, dass sich die DDR auf internationaler Ebene über zunehmende Anerkennung freuen und somit darauf hoffen konnte, als eigenständiger Staat auftreten zu können. Der gesamtdeutsche Anspruch der ersten Verfassung von 1949 wurde durch den Begriff der »sozialistischen Nation« ersetzt. Bleibt die Frage, ob sich dieses neue Selbstbewusstsein auch in den landeskundlichen Darstellungen widerspiegelt und wie andere gesellschaftliche Veränderungen aufgenommen wurden.

1973 erschien im VEB Fotokino Verlag Leipzig das Werk Landschaften unserer Heimat, für das Fotografien aus allen Landesteilen der DDR zusammengetragen worden waren. Dementsprechend fällt auch das Verhältnis Text – Bild aus. Die Fotografien nehmen 90 Prozent der Seiten ein, die Texte den Rest, Karten gibt es nicht. Der Band wirkt sehr bemüht, einen fortschrittlichen Eindruck zu machen. Dazu gehört der Verweis auf die Nutzung von Farbfotografien zur Darstellung der Heimat. In der Einleitung heißt es dazu: »Heute, in der Epoche des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, sind es die Mittel moderner Fotografie, die eindrucksvoll die Vielgestaltigkeit und Schönheit unserer Umwelt festhalten und weitervermitteln.«33 Die DDR war damit ein Raum, in dem sich der menschliche Fortschritt endgültig durchgesetzt hatte. Das Raumbild, welches der Band vermitteln wollte, war nicht allein rückwärtsgewandt, sondern sollte seine Ausgestaltung im zukunftsorientierten sozialistischen Sinne erfahren. Ähnlich zentral wurde die Aufnahmetechnik auch in einem weiteren Werk, dem Band Im Flug über die DDR aus dem Jahr 1983, behandelt. Der Fortschritt in der Betrachtung des Raumes bestand in der Perspektive, konkret: dem Luftbild. Wie in ähnlichen Publikationen aus dem Westen34 rühmten die Verfasser die Bedeutung dieser Technik für die Raumwahrnehmung, dank der sich ein »Rückblick auf eine vergangene Zeit, die ihre baulichen und landschaftlichen Zeugen hinterlassen hat, mit der Sicht auf das Gegenwärtige und dem Ausblick auf künftig Werdendes« ermöglichen ließe.35 Dies bot den Autoren auch Platz für Kritik am Raum. In scheinbar völliger Offenheit gegenüber den Mängeln der Staatsform gaben etwa die Autoren des Bandes Im Flug über die DDR zu, dass das Luftbild »unbestechlich und ungeschminkt« zeige, »was bereits gelungen ist und wo es noch Probleme zu lösen gilt«.36 Diese Kritik zielte nicht fundamental auf das System, sondern zeichnete die DDR als einen werdenden Raum, der erst in der Zukunft zu seiner optimalen Beschaffenheit gelange.

Dies zeigt, dass die DDR nach wie vor als Raum mit einer großen heimatlichen Komponente gedacht wurde. Jedoch hatte diese Heimat weniger mit den Konzepten, wie sie im Westen vertreten wurden, zu tun. Heimat wurde daher auch nicht auf einen vereinten deutschen Raum bezogen. Stattdessen erfolgte die Verwendung von Raum und Heimat in einem völlig anderen Kontext, wie beispielsweise im Werk Landschaften unserer Heimat: »Die Heimat, wie viele andere Begriffe in ihrem Inhalt abhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen, hat in der Deutschen Demokratischen Republik eine neue Bedeutung erlangt. Die sozialistische Heimat ist der Raum, in dem wir leben, arbeiten und uns erholen, den wir kennen und lieben und den wir aktiv mitgestalten und weiterentwickeln.«37 Diese Zeilen deuten eine neue Verwendung des Heimatbegriffs an. Den Autoren war bewusst, dass gegenüber dem Heimatbegriff mittlerweile ein gewisses Misstrauen bestand, da er für ein Überbleibsel aus Zeiten des Bürgertums und des Natio-
nalsozialismus gehalten wurde.38 Der marxistischen Theorie folgend, nach der die Verhältnisse das Bewusstsein bestimmen, konnte der Begriff jedoch in einer engen Kopplung an sozialistische Lebensverhältnisse überleben, nicht aber in seiner älteren bürgerlichen Form. Somit bestätigt sich die These von Alon Confino, dass der Heimatbegriff sein Überleben seiner enormen Anpassungsfähigkeit verdankt.

Urbane Räume

Der städtische Raum nahm im Referenzrahmen sozialistische Heimat eine zentrale Rolle ein. Dies lag darin begründet, dass die Arbeiterbewegung vor allem ein urbanes Milieu war und viele ältere Protagonisten noch wussten, wie das Leben in Elendsquartieren von Großstädten aussah. Eine Veränderung dieser schlechten Verhältnisse gehörte zu den Hauptzielen in der Gestaltung des sozialistischen Raumes, wobei »bauliche Eingriffe und die gestalterische Formulierung städtischen Raums« vor allem eine konkrete Möglichkeit der Machtentfaltung boten.39 Für viele Autoren der Bildbände lag es auf der Hand, den Wandel der Städte nach dem Krieg abzubilden, um damit auch den gesellschaftlichen und öffentlichen Fortschritt zu dokumentieren. Dem Sprachduktus des Kalten Krieges folgend, demzufolge die Städte der DDR durch »anglo-amerikanische Terrorangriffe« zerstört wurden,40 sei es gelungen, »die Kriegszerstörungen unserer Städte schon in wenigen Jahren zu beseitigen und zu sichern, daß neues Leben aus den Ruinen blüht«.41 Lag der eigentliche Ursprung des Raumwandels nach sozialistischer Art demnach in der kriegsbedingten Zerstörung der Städte, bot dies den Städteplanern zugleich die Grundlage für neue Praktiken und Modelle des Städtebaus. Die Autoren der Bildbände griffen diesen städtebaulichen Wandel als dankbares Motiv auf, um die Eigenheiten der DDR besonders zu veranschaulichen.

Aus dem Blickwinkel der Achtzigerjahre, also nach vierzig Jahren SED-Herrschaft, galt das staatliche Programm zum Wohnungsbau und zur Neugestaltung der Städte den Autoren als entscheidende Stufe in der Entwicklung des sozialistischen Raumes. Das im Band Im Flug über die DDR abgedruckte Zitat aus einem Bericht über den Wohnungsbau in Halle-Neustadt bringt diese Hoffnung zum Ausdruck: »Hier wird Zukunft ermöglicht, indem Gegenwart bewältigt wird; hier verändert der Mensch sich selbst, indem er Gesellschaft und Natur verändert zu seinen Gunsten; hier wird Welt an sich verwandelt in Welt für uns. Eine Stadt wird zweimal gebaut: von den Architekten und den Bauarbeitern, die Häuser, Schulen, Kindergärten und so weiter errichten – und von den vielen tausend Einwohnern, die ihr Leben darin formen.«42 Demnach ermöglichten es die Städte, die »materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen in Übereinstimmung mit den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten zu vervollkommnen«.43 Der Verweis auf den gesellschaftlichen Wandel, der in Städten schneller zu spüren sei, sollte auch dank der neuen Technik, dem Luftbild, besser erfahrbar gemacht und dem Leser vermittelt werden. Aufnahmen aus der Vogelperspektive ermöglichten es dem Leser, die ganze Bandbreite des staatlichen Neu- und Aufbauprogramms nachzuvollziehen, dessen Ziel es sei, »[s]chöne Städte für ein schönes Leben« zu erschaffen.44 Im Sinne einer Neugestaltung des Raumes sollten diese Städte zu Orten werden, in denen das Leben und Arbeiten so unkompliziert wie möglich waren, der Mensch also ganz im sozialistischen Sinne funktionieren und seine Freizeit verbringen konnte. Beim großen Vorbild Sowjetunion wurden solche sozialgeografischen Vorstellungen verwirklicht, indem gänzlich neue Städte auf dem Reißbrett geplant und schließlich gebaut wurden. Doch das Erschaffen neuer Städte in der DDR war im Angesicht ihrer territorialen Ausdehnung und Bevölkerungsentwicklung kein wirklich praktikables Modell. Dies war auch den Verfassern bewusst. Sie sahen sich daher zu einer Abgrenzung zur Sowjetunion gezwungen und verwiesen darauf, dass es in dieser dank riesiger unerschlossener Territorien größeres Potenzial für solche Vorhaben gäbe.45 Trotz der in den Quellen dargestellten Umgestaltung der räumlichen Verhältnisse zum Wohl der Menschen kam es vor Ort nie zu einer wirklichen Veränderung im Sinne eines aktiv durch die Bürgerinnen und Bürger mitgestalteten urbanen Raumes. Denn dieses Konzept hätte auch einer wirklichen Mitsprache auf allen politischen Ebenen bedurft. Eine kommunale Selbstverwaltung wie im Westen gab es nicht, zudem waren die lokalen Verwaltungen gegenüber der SED-Zentralregierung zu schwach, auch wenn sie sich auf vielen informellen Wegen um die Belange der Menschen kümmerten.46 Die sozialistische Heimat blieb ein zu starres Korsett, das die Menschen zum Leben im sozialistischen Sinne zwang. Nur in den Bildbänden nahm der Raum scheinbar die Form einer gelungenen Einheit von Mensch und Raum an.

Kulturlandschaften und Umweltschutz

Auch wenn der Fokus stark auf der Betonung des städtischen Lebens lag, blieb die Verbindung von Natur und Mensch ein gewichtiges Element in den untersuchten Bildbänden. Altbekannte Konzepte von Kulturräumen und Kulturlandschaften behielten ihre Aktualität.47 Starke Bezüge zu einer von den Menschen geprägten Natur, die sich nach und nach in einen deutschen Kulturraum umformte, finden sich an vielen Stellen, so beispielsweise in dem Band Im Flug über die DDR: »Durch das aktive Einwirken des Menschen auf die Ausprägung der Landschaft widerspiegelt sie heute weitgehend den auf ökonomischem und kulturellem Gebiet erreichten Entwicklungsstand, ist sie für uns sowohl ein Ausdruck unserer Kultur als auch ein lebendiges Geschichtsbuch.«48 Mit Verweis auf die »Geisteshaltung der jeweils herrschenden Klasse«,49 die sich an den Anlagen ablesen ließe, konnte das geschichtliche und landschaftliche Erbe ohne Probleme in den sozialistischen Raum integriert werden. Aus den Beschreibungen lässt sich nun ein gewisser Stolz auf die Bauten der Vergangenheit ablesen. So ist die Rede davon, dass die Landschaft ihre Gestalt »progressiven Veränderungen auf geistigem und ökonomischem Gebiet« und dem »Einfluss des aufstrebenden Bürgertums« zu verdanken habe.50

Der bürgerlich-konservativen Deutung von Landschaft wurde die nun progressive Formel von der Gestaltung der Landschaft durch den Menschen und deren Wandel im Laufe der Zeit entgegengesetzt.51 So wird der Bau von Straßen, die das Bild der Landschaft massiv verändern, derart dargestellt, dass sie »eine enge Verflechtung von Neubau, Modernisierung und Werterhaltung, […] eine sinnvolle Bewahrung des in Jahrhunderten entstandenen baulichen Erbes unseres Landes bei gleichzeitiger Bereicherung und Vervollkommnung« gewährleisten.52

Die enge Verknüpfung von Natur und Mensch blieb in diesem Kontext erhalten, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Die SED übernahm zunächst bereits vorhandene Positionen. Beispielsweise wurde das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 in abgewandelter Form in der Verfassung verankert. Nachdem in den Siebzigerjahren weltweit der Umweltschutz zu einer gesellschaftlich wichtigen Thematik wurde und sich auch in der Verfassung von 1974 widerspiegelte,53 änderte sich auch in den Büchern der Blickwinkel. Erstmalig wurde auf die Zerstörung der Umwelt hingewiesen, nicht ohne zu betonen, dass in der DDR die Vereinbarkeit von Industrie und Umwelt gelungen sei: »In unseren Tagen erst ist es möglich, die unvermeidlichen ökologischen Interessen so zu verwirklichen, daß dem hier lebenden Menschen die Landschaft vielseitig erhalten bleibt mit reiner Luft und Wasser, in dem einer baden möchte. Ganze Dörfer sind von der Erdoberfläche verschwunden, unter der die Braunkohle lag. Und als der Tagebau die Vorkommen erschöpft hatte, ließen die Abraumbagger nicht öde Halden in trostlos brauner Unfruchtbarkeit zurück, sondern beizeiten durchdachte Kultivierungsobjekte schaffen eine völlig neue, hier zuvor nicht dagewesene Landschaft mit Seen und Wäldern. Erholungsgebiete, weitläufig und grün.«54 Diese Textpassage hatte wenig von einem vor allem durch den einzelnen Bürger getragenen Naturschutzgedanken, sondern spiegelte vielmehr den fundamentalen Glauben von der planmäßigen Nutzbarmachung der Natur durch den Menschen wider, wie er zuvor schon in der Sowjetunion populär war.55 Die durch den Menschen entstandenen Schäden an der Natur konnten demnach durch optimale Planung problemlos beseitigt werden, wie etwa im Bergbau. Im Band Im Flug über die DDR waren die Argumente ähnlich. Zunächst wurden negative Effekte des Abbaus der für die auf Autarkie angelegten DDR-Volkswirtschaft so lebensnotwendigen Braunkohle bedauert, um im selben Satz auf die eingeleiteten, aber nicht näher beschriebenen Renaturierungsmaßnahmen hinzuweisen: »Große Flächen verlieren in diesem Prozess die Fähigkeit, Bäume und Sträucher, Getreide und Gras zu tragen, nehmen kein Wasser mehr auf und wären für unsere Ernährung, für die Forstwirtschaft und auch die Erholung verloren, wenn nicht bedeutende Aufwendungen für deren Rekultivierung vorgesehen würden.«56 Der Band weist im Folgenden auf die guten Ergebnisse in der Entwicklung der Bergbaufolgelandschaft hin57 und schließt den Abschnitt mit der Aussage: »Nach vielen Jahren der Braunkohlegewinnung mit ihren negativen Auswirkungen auf die Wohnbedingungen der dort ansässigen Bevölkerung werden Senftenberg und viele andere Städte und Gemeinden des ehemaligen Kohlereviers nun zu Zentren der Erholung der Bevölkerung – ein wahrhaft gewaltiger Wandel!«58 Der angesprochene Wandel vollzog sich tatsächlich, aber erst nach der Wende von 1989/90. In der DDR selbst kamen aufgrund einer ungenauen Gesetzgebung, nach der umweltpolitische Ziele eng an das Wachsen der Volkswirtschaft geknüpft waren und Letzterer im Zweifel der Vorzug gegeben wurde,59 keine wirksamen Renaturierungsmaßnahmen zustande.

Das auf diese Weise gezeigte Raumbild ließ das Wirtschaftssystem der DDR auf sämtliche Probleme der Energiegewinnung klug und besonnen reagieren. Der Sozialismus beeinflusste den Raum schlussendlich nur im positiven Sinne. Der Faktor Umweltschutz wurde zu einem integralen und bedeutenden Merkmal der neuen Gesellschaftsstruktur, die sich konsequent von einem marktwirtschaftlichen System abgrenzt: »Der Raubbau an der Natur erlischt wie die alte Gesellschaftsordnung.«60 Das ökonomische Handeln im sozialistischen Block konnte immer nur umweltschützend wirken, während in anderen, also westlichen und kapitalistischen Gesellschaften, die Zerstörung der Umwelt zu den Eigenheiten des dortigen Systems gehörte. Doch dieses eigenkonstruierte Image einer ökonomisch erfolgreichen DDR, deren Wirtschaft die Natur schont und ihr zu neuer Blüte verhilft, hatte mit der Wirklichkeit wenig gemein. So zerstörte der Uran-Abbau der SDAG Wismut mehrere Dörfer und damit auch die Natur. Renaturiert wurde aber, wie bereits erwähnt, nicht zu DDR-Zeiten, sondern erst nach der Wende. Das Areal wurde anschließend unter anderem 2007 für die Bundesgartenschau genutzt. Aus dieser offensichtlichen Diskrepanz zwischen offiziellem Bild und tatsächlicher Lage vor Ort erwuchs ein nicht unbedeutender Teil der DDR-Oppositionsbewegung. Bücher wie Landschaften unserer Heimat zeigen dagegen Bilder, die belegen sollten, dass auch die DDR ein »grüner« und »gesunder« Raum war. Aus heutiger Sicht muten diese Fotografien, die eine umweltfreundliche und zugleich industriell fortschrittliche DDR zeigen sollten, befremdlich an. Fabrikschlote, die schwarzen Rauch in die Umwelt abstoßen, Braunkohlebagger, welche die Erde aufwühlen, und Erdölleitungen sollten Beispiele für die »eigenartige Schönheit«61 von Industriekomplexen sein, die »selbst wieder zu einer ästhetisch reizvollen Landschaft werden«.62 Bilder, die aus heutiger Sicht das Urteil bestätigen würden, dass die DDR vor allem ein verschmutzter Raum war, belegten aus damaliger Sicht von Verlagen und Staatsführung deren Leistungsfähigkeit und Kompetenzen.

Fazit

Raumbeschreibungen in der DDR waren zu jeder Zeit vor allem Beschreibungen des sozialistischen Wandels und menschlichen Lebens. Der früheren konservativen Deutung von der Prägung des Menschen durch die Natur wird die »Machbarkeit von Umwelt« gegenübergestellt. Jedoch blieben hierbei konservative Deutungsmuster und Begriffe wie Heimat durchaus erhalten. Während sich in den Bildbänden der Fünfzigerjahre noch ein gesamtdeutscher Anspruch wiederfindet, änderte sich mit der Neuausrichtung der Innen- und Außenpolitik ab 1960 die Raumsicht. Der Fokus lag nun auf der DDR, deren Wandel zur sozialistischen Nation das Hauptaugenmerk galt. Während es in westdeutschen Publikationen lange um den Versuch einer Inklusion der DDR und der Ostgebiete ging, verstanden sich die Bildbände in der DDR ab den Sechzigerjahren als Vorkämpfer einer gesonderten DDR-Identität, wofür beispielsweise die Betonung sozialistischer Musterprojekte spricht. Grenzdarstellungen waren in diesem Prozess des Identitätsaufbaus Tabu, weder die innerdeutsche noch die Grenze zu Polen wurden in irgendeiner Form dargestellt. Die DDR präsentierte sich mitunter als grenzenloses Land, wobei damit vor allem die Grenzen der sozio-ökonomischen Entwicklung gemeint waren. Offen trat dieser Widerspruch spätestens in der Endphase der DDR zutage, in welcher der ökonomische Niedergang und die Umweltzerstörung zum Anwachsen der Opposition führten.

1 Mathias Beer: Das Heimatbuch als Schriftklasse, in: ders.: Das Heimatbuch. Geschichte – Methodik – Wirkung, Göttingen 2010, S. 9–39, hier S. 13.

2 Anja Kempe: Die Ordnung des Raumes – die Aneignung Schlesiens in den visuellen Medien nach 1945, in: Dieter Bingen/Peter Oliver Loew/Dietmar Popp (Hg.): Visuelle Erinnerungskulturen und Geschichtskonstruktionen in Deutschland und Polen seit 1939, Warschau 2009, S. 69–84, hier S. 70.

3 Alon Confino: Germany as a culture of remembrance. Promises and limits of writing history, Chapel Hill 2006, S. 100.

4 Guntram Herb: Double Vision: Territorial Strategies in the Construction of National Identities in Germany, 1949–1979, in: Annals of the Association of American Geographers 94 (2004), S. 140–164.

5 Siehe Dieter Riesenberger: Heimatgedanke und Heimatgeschichte in der DDR, in: Edeltraud Klueting: Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt 1991, S. 320–343, hier S. 322 ff.

6 Jutta Faehndrich: Entstehung und Aufstieg des Heimatbuchs, in: Beer: Heimatbuch (Anm. 1), S. 55–84, hier S. 64.

7 Ein Beispiel für die Zentralisierung in der DDR ist die Auflösung der Länder 1952 und die Schaffung von kleinen Bezirken nach französischem Vorbild.

8 Siehe Riesenberger: Heimatgedanke (Anm. 5), S. 330. Eine Beschreibung der Transformation zum sozialistischen Großraum am Beispiel Thüringens bietet Barbara Happe: Das Ende der Gutswirtschaft. Der Wandel der ländlichen Kultur nach 1945 in Thüringen, in: Silke Göttsch/Christel Köhle-Hezinger (Hg.): Komplexe Welt: Kulturelle Ordnungssysteme als Orientierung, Münster 2003, S. 453–462.

9 Ministerium für Volksbildung (Hg.): Lehrplan für das Fach Erdkunde. Klassen 6 bis 10, Berlin 1966, S. 4.

10 Ebd.

11 Die Heimatkunde sollte den »Kontakt ›des Deutschen‹ zu seiner – wie man glaubte – wahren 
völkisch substantiell bestimmenden Kultur« stärken. Zitiert nach Willi Oberkrome: »Gesundes Land – gesundes Volk.« Deutsche Landschaftsgestaltung und Heimatideologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 53 (2005), S. 26–38, hier S. 31.

12 Celia Applegate: A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Oxford 1990, S. 4.

13 Siehe Beate Ihme-Tuchel: Die DDR und die Deutschen in Polen. Handlungsspielräume und Grenzen ostdeutscher Außenpolitik 1948–1961, Berlin 1997; Heike Amos: Die Vertriebenenpolitik der SED 1949 bis 1990, München 2009, S. 56–59. Bis 1949 waren in der SED noch Stimmen laut, welche die Verschiebung der Grenzen kritisch betrachteten. Auch später gab es immer wieder Publikationen, die einen Austausch von Gebieten zwischen der DDR, Polen und der Sowjetunion begrüßten.

14 Siehe etwa den Band von Karl Hermann Böhmer, »Deutschland hinter dem Eisernen Vorhang«, der 1955 in Essen erschien. In ihm wurde besonders die »Unnatürlichkeit« der sowjetischen Herrschaft in Deutschland kritisiert.

15 Siehe dazu Bettina Jütte: Verlagslizensierungen in der sowjetischen Besatzungszone (1945–1949), Berlin 2010, S. 127. Bereits kurz nach ihrer Gründung versuchte die SED, auf die Volksbildung einzuwirken. Bis 1949 hatte sie bereits einen erheblichen Einfluss auf die Verlagspolitik.

16 Siehe Sendung »Schlimmes Ende« vom 31. August 2009 im Deutschlandfunk, in: www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1025795. Siehe auch Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen, Berlin 2009; Mathias Judt (Hg.): DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse, 2. Aufl. Berlin 1998, S. 313.

17 Siehe ebd., S. 313.

18 Siehe Christina Bötcher: Die (Un)möglichkeit Grenzen auf Karten zu verstehen, in: www.edumeres.net/publikationen/details/d/die-macht-der-karten-oder-was-man-mit-karten-machen-kann/p/die-un-moeglichkeit-grenzen-auf-karten-zu-verstehen.html, ges. am 16. September 2013.

19 Siehe Stefan Wolle: Die Welt der verlorenen Bilder, in: Gerhard Paul: Visual History, Göttingen 2006, S. 333–352, hier S. 343.

20 Vor allem bei der Darstellung der Ostgebiete war die Verbundenheit des Bauern mit der Scholle auch in westdeutschen Bänden ein beliebtes Motiv. Siehe dazu Harald Busch: Deutschland. Mitteldeutschland und der Osten, wie er war. Ein Bildband von deutscher Landschaft, ihren Städten, Dörfern und Menschen, Frankfurt a. M. 1955, S. 147.

21 Paul Beyer (Hg.): Deutschland. Schöne Heimat, Leipzig 1955, S. V.

22 Ebd., S. V.

23 Ebd., S. VI.

24 Ebd., S. VIII.

25 Ebd., S. VII.

26 Siehe ebd.

27 Siehe dazu auch Michael Lemke: Einheit oder Sozialismus. Die Deutschlandpolitik der SED 1949–1961, Köln u. a. 2001, S. 29–35.

28 Beyer: Deutschland (Anm. 21), S. 206 f.

29 Ebd., S. 176.

30 Ebd., S. 200.

31 Ebd., S. 187.

32 Siehe dazu Katarzyna Stokłosa: Polen und die deutsche Ostpolitik, Göttingen 2011. Die Autorin beschreibt darin die Aufwertung sowohl der DDR als auch Polens.

33 Hans-Jochen Knobloch: Landschaften unserer Heimat, Leipzig 1973, S. 10.

34 Siehe Bernd Lohse (Hg.): Deutschland im Luftbild. Süden, Westen, Norden, Frankfurt a. M. 1959.

35 Lothar Willmann: Im Flug über die DDR, 2. Aufl. Leipzig 1984, Klappentext.

36 Ebd., S. 13.

37 Knobloch: Landschaften (Anm. 33), S. 10.

38 Confino: Germany as a culture (Anm. 3), S. 92.

39 Monica Rüthers: Moskau bauen von Lenin bis Chruščev. Öffentliche Räume zwischen Utopie, Terror, Alltag, Wien 2007, S. 77.

40 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 25.

41 Ebd., S. 26.

42 Ebd. Das Zitat aus dem Band von Willmann ist wiederum dem Bildband von Werner Bräunig: Städte machen Leute. Streifzüge durch eine neue Stadt, Halle (Saale) 1969, S. 235 entnommen. Für dieses Buch besuchten vier Schriftsteller und zwei Fotoreporter Halle-Neustadt und berichteten vom Leben in diesem »Wohnungsbauplatz«.

43 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 26.

44 Ebd., S. 28. Die Losung stammt aus der direkten Nachkriegszeit, siehe dazu: Werner Durth/Niels Gutschow: Eisenhüttenstadt. »Schöne Städte für ein schönes Leben«, in: Brandenburgische Denkmalpflege 4 (1995), S. 31–39.

45 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 26.

46 Siehe Carsten Benke: Am Ende der Hierarchie: Grenzen und Spielräume der Kommunalpolitik in der DDR – mit Beispielen aus der der Industriestadt Ludwigsfelde, in: Christoph Bernhardt/Heinz Reif (Hg.): Sozialistische Städte zwischen Herrschaft und Selbstbehauptung. Kommunalpolitik, Stadtplanung und Alltag in der DDR, Stuttgart 2009, S. 21–46, hier S. 26–28.

47 Siehe Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 81.

48 Ebd.

49 Ebd.

50 Ebd., S. 87.

51 Nach Gerhard Hard ist der Begriff Landschaft »noch immer der wirkungsvollste Raumverklärungsmythos des deutschen Sprachraums«. Siehe Gerhard Hard: Der Spatial Turn – von der Geographie her betrachtet, in: Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hg.): Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften, Bielefeld 2008, S. 263–316, hier S. 279. Schon frühe landeskundliche Publikationen versuchten, eine Art »essence of national character« zu belegen. Siehe Jens Jäger: Picturing Nations. Landscape Photography and National Identity in Britain and Germany in the Mid-Nineteenth Century, in: Joan Schwartz/James Ryan: Picturing place. Photography and the Geographical Imagination, London 2003, S. 117–140, hier S. 117.

52 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 144.

53 Die Verfassung vom 7. Oktober 1974 zählt den Boden der DDR zu den »kostbarsten Naturreichtümern«, der »geschützt und rationell genutzt« werden muss.

54 Knobloch: Landschaften (Anm. 33), S. 46.

55 Siehe hierzu Evgenij Dobrenko (Hg.): The landscape of Stalinism. The art and ideology of Soviet space, Seattle 2003. Siehe auch Vadim Birstein: The perversion of knowledge. The true story of Soviet science, Boulder 2001.

56 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 80.

57 Demnach wurden, so die Angaben, 7500 Hektar ehemalige Bergbaufläche für Forst- und Landwirtschaft wieder nutzbar gemacht.

58 Willmann: Im Flug (Anm. 35), S. 80.

59 Siehe Jörg Lücke: Das Umweltschutzrecht der DDR, in: Werner Thieme (Hg.): Umweltschutz im Recht, Berlin 1988, S. 165–196, hier S. 168 f.

60 Knobloch: Landschaften (Anm. 33), S. 105.

61 Ebd., S. 58. Es muss darauf verwiesen werden, dass solche Bilder in der Bundesrepublik ebenfalls eine Zeit lang vorherrschten. Mit dem Aufkommen der Umweltbewegung verschwanden diese aber aus den Publikationen.

62 Ebd., S. 46.

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