JHK 1993

Die Generation der \"Bolschewisierer\" in der Kommunistischen Partei Griechenlands (KPG)

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 131-136

Autor/in: Panagiotis Noutsos (loannina)

Auf dem dritten außerordentlichen Kongreß (26. November - 3. Dezember 1924) wurde der Prozeß der Umwandlung der SEKE in die \"Kommunistische Partei Griechenlands\" über die SEKE(K) besiegelt, d.h. die griechische Sektion der Kommunistischen Internationale gegründet. Es wurde beschlossen, \"solide Grundlagen der Bolschewisierung\" zu schaffen. Zentraler Punkt der politischen Tätigkeit sollte fortan die Eroberung der Staatsmacht durch die Einsetzung einer Regierung \"der Arbeiter und Bauern\" sein, um damit die \"Arbeiter- und Bauernmassen\" von wirtschaftlichem Elend und politischer Unterdrückung zu befreien. Die Partei sollte ihre Kräfte besonders auf die Tätigkeit von Betriebszellen stützen und vorbehaltlos die Beschlüsse der 6. und 7. Konferenz der kommunistischen Parteien des Balkans für ein \"einheitliches und unabhängiges\" Mazedonien und Thrazien unterstützen. Der letzte Punkt rief eine neue Welle innerparteilicher Kontroversen hervor (Stavridis2 und insbesondere Apostolidis und Kordatos),3 bei denen unterstrichen wurde, daß die Annahme und sofortige Popularisierung dieser Forderungen, die die KP Bulgariens im Mai 1922 ausgearbeitet hatte - also noch vor dem Bevölkerungsaustausch, den die kleinasiatische Katastrophe erforderlich gemacht hatte und der ihr folgenden \"großen ethnologischen Umwandlung\" Mazedoniens-, die nationalistische Propaganda der \"griechischen Reaktion\" begünstigen, gar die \"faschistische\" Provokationen nähren könne.4 Und dies auch dann, wenn die KPG - mit diversen Rückziehern versteht sich - diese Selbstbestimmungsdoktrin mit der Revolution der Arbeiter und Bauern und folglich mit der \"Föderation der Arbeiter- und Bauerndemokratien\"5 des Balkans in Zusammenhang bringen würde.Im Januar 1925 veröffentlichte der neue siebenköpfige Exekutivausschuß, mit Pantelis Pouliopoulos als Sekretär, die Anweisungen für das Schulungsprogramm der Partei und gab die Gründung \"marxistischer Schulen\" in Athen, Volos und Saloniki bekannt, in denen der \"historische Materialismus\", Probleme des \"Aufbaus des Sozialismus\" und das \"kommunistische Programm\" gelehrt werden sollten.6 Die Erhöhung des theoretischen Niveaus der Mitglieder wurde als eines der Fundamente der \"Bolschewisierung\" angesehen, so wie es überdies der \"Leninismus\" bestimmte, d.h. der \"Marxismus der Periode des Zusammenbruchs des Kapitalismus und der proletarischen Revolution\".Im April 1925 wurden die führenden KPG-Funktionäre (Pouliopoulos, Maximos, Sklavos etc.) unter dem Vorwand der \"mazedonischen Frage\" in Untersuchungshaft genommen, während eine umfangreiche Mobilisierung der Bauern in Thessalien und Böotien (angeleitet von \"Alten Kämpfern\" mit dem Ziel der entschädigungslosen Enteignungl KPG. Protokoll des dritten außerordentlichen Kongresses. Athen l991. S. 207-224. 2 Ebenda, S. 99-102, 123. 3 Ebenda, S. 101-131. 4 Ebenda, S. 101. 5 Ebenda, S. 223. 6 KPG. Offizielle Texte. Bd. 2. [Bukarest] 1965. S. 14-19. 132 JHK 1993Aufsätze und Miszellender \"Landgüter\")? sowie Streiks der Eisenbahner, der Straßenbahner und der Schiffsarbeiter des ganzen Landes begonnen hatten. Am 26. Juli 1925 wurde die Pangalos-Diktatur verkündet und binnen kurzer Zeit einige hundert Kommunisten in Untersuchungshaft genommen bzw. verbannt. Die KPG wurde für illegal erklärt und die Herausgabe ihrer Schriften verboten.Nach etwa einem Jahr der Illegalität formulierte die \"Ersatz\"-Führung der KPG (Chaitas, Eutichiadis, Stavridis) die Losung der \"Linksdemokratie\" (gleichbedeutend mit \"Volksdemokratie\") als notwendige Vorstufe zur Regierung der \"Arbeiter und Bauern\".8 Diese Position wurde im Oktober 1926 als sich \"herauskristallisierender Reformismus\" mißbilligt, der die langfristige Taktik des \"Georgiadismos\" wieder in die Parteireihen brachte und unter dem Vorwand der Gefahr der monarchistischen Restauration den bevorstehenden Sturz der \"Bourgeoisie\" verschwieg.9Die Aufspaltung der Partei dauerte bis zum dritten außerordentlichen Kongreß im Jahre 1924, obwohl die \"liquidierenden\", \"reformistischen\" und \"extremistischen\" Tendenzen bereits ausgeschaltet worden waren. In seinem Referat zur politischen Taktik unterstrich Kordatos die Notwendigkeit einer Phase der Propaganda und Mitgliederschulung und kündigte einen Kampf gegen den \"latenten Sozialdemokratismus\" 10 an. Auf der einen Seite traten die Anhänger der \"Bolschewisierung\" an (Jugend, \"Alte Kämpfer\", ehemalige Mitglieder der \"Vereinigung aller Arbeiter\" Konstantinopels). Auf der anderen Seite waren es die Repräsentanten des einheimischen \"Menschewismus\", die insbesondere die Diadochenkrisen der Partei hervorriefen.P. Pouliopoulos,11 seit Februar 1924 Verantwortlicher der \"Kommunistischen Revue\" und Leiter der Bewegung der \"Alten Kämpfer\", betonte unter Berufung auf Varga die Auswirkungen der internationalen ökonomischen Krise des Kapitalismus auf Griechenland, einem Land, das nicht sui generis isoliert vom vorgeblich am Ende befindlichen kapitalistischen Weltsystem angesehen werden könne. Er schlug eine Untersuchung darüber vor, inwieweit auch in der Wirtschaft Griechenlands die \"Periode einer Dauerkrise\" des Kapitalismus existiere, ob die Möglichkeit der Bildung einer lebensfähigen kommunistischen Partei der \"Massen\" bestünde, die die \"revolutionären Kämpfe des Proletariats\" erfolgreich weiterführen könne und inwieweit diese Bewegung als Teil des internationalen \"revolutionären Kampfes\" wahrgenommen werde. Die bejahende Beantwortung dieser drei Fragen bildete den Rahmen der \"einzigen produktiven Theorie\" für die griechische Arbeiterklasse. Pouliopoulos konzentrierte sich bei der ersten Frage auf ein Problembündel, das zusammengefaßt die perzipierte Tendenz zur Rückkehr zu den \"vorkapitalistischen\" Wirtschaftsformen betrifft. So - die \"riesigen\" Währungsschranken, - die Zerstörung eines nicht unerheblichen Prozentsatzes des nationalen Reichtums durch die Kriege, - den im Mißverhältnis zum Bevölkerungswachstum stehenden Produktionszuwachs, - die Staatsverschuldung, - die außenwirtschaftliche Bonitätseinbuße, - den Verlust einer homogenen politischen Szene, - die Verschlechterung der Lebensbedingungen des Proletariats, - die dauernde \"Massenarbeitslosigkeit\", - die jüngste Schiffahrtskrise, - das Wiedererwachen eines \"politischen Bewußtseins\" bei den kleinen7 Vgl. Noutsos, Panagiotis: Das sozialistische Denken in Griechenland. Bd. 2, Teil 2. Athen 1992. S. 52. 8 KPG, Protokoll, a.a.O., S. 28-29. 9 KPG, Offizielle Texte, a.a.O., S. 159-160. 10 KPG, Protokoll, a.a.O., S. 52, 72-73, 87. 11 Griechischer Menschewismus. Bd. 4. Athen [1924]. S. 280-285, 321-328. P. Noutsos: \"Bolschewisierung\" der KPGJHK 1993 133Berufstätigen und den Bauern und - das Flüchtlingsproblem, das für die kapitalistische Wirtschaft Griechenlands ein Faktor der \"akuten Krise besonderer Art\" bedeute.Die Beschäftigung mit diesen Erscheinungen könne nicht mit der a-priori-Vorstellung irgendeines \"griechischen\" Kapitalismus vorgenommen werden, der sich \"außerhalb von Ort und Zeit\" entwickele, auch die Notwendigkeit eines gewissen \"griechischen\" sozialistischen Kampfes nach sich ziehe und sehr stark dem Unternehmen der \"Nationalen Sozialisten\" ähnele. Er plädierte stattdessen für den Gebrauch der Prinzipien des \"Leninismus\", d.h. des \"Marxismus der Periode des Imperialismus und der internationalen Revolution\". Mit dem gleichen Primat beantwortete er auch die zweite und dritte Frage. So wenn Pouliopoulos darauf bestand, daß die Reife eines Landes zur \"revolutionären Strategie\" nicht mit seiner Bereitschaft, sich zum Sozialismus zu entwickeln, verwechselt werden dürfe. Nicht der Grad der \"ökonomischen und technischen Entwicklung\", der Konzentrations- bzw. Zentralisierungsprozeß des Kapitals und der Produktionsmittel bestimme die revolutionäre Reife. Die mehr oder weniger große Verspätung bei der Verwirklichung des Sozialismus bedeute, daß \"die Übergangsperiode der Diktatur größeren Schwierigkeiten\" gegenüberstehe. In diesem Zusammenhang trat der vorgeblich zentral wichtige \"subjektive\" Faktor auf, d.h. der \"Grad der Vorbereitung und der Kampfbereitschaft der bewußten Gesellschaftskräfte\", die besonders in Griechenland die Arbeiter, die \"armen Bauern\", die Flüchtlinge und die \"Alten Kämpfer\" umfassen sollte.S. Maximos,12 von der \"Vereinigung aller Arbeiter\" kommend und nunmehr Verantwortlicher der Gewerkschaftsabteilung der SEKE (K), beschäftigte sich mit den Folgen der innerparteilichen Krise in der Gewerkschaftsbewegung. Seiner Meinung nach habe diese Situation \"latent\" schon vom Augenblick der Gründung der SEKE an bestanden, nur daß sie in der Periode der \"sentimentalen Revolution\" nicht in ihrer bisherigen Form zum Ausdruck gekommen sei. Wenn man darüber hinaus das Fehlen der positiven Überlieferung der Zweiten Internationale und die Tatsache in Betracht ziehe, daß der \"alte Führungsstab\" der Partei, der über \"politische Erfahrung und organisatorische Fähigkeiten\" verfügt habe, sich zurückzog oder ausgeschlossen wurde, so werde die Ursache für das Wohlempfinden des \"scheinrevolutionären\" und \"superlinken\" Flügels verständlich, nämlich in der Verbindung mit dem Auftreten übereinstimmender Strömungen in den Reihen der Komintern und der KPdSU.K. Sklavos, auch er von der \"Vereinigung aller Arbeiter\" und von Januar 1925 an Verantwortlicher der \"Kommunistischen Revue\", behandelte die laufenden wirtschaftlichen und politischen Themen im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsproblem.13 Aus Anlaß der Verfolgungen des Patriarchen von Konstantinopel untersuchte er die Beziehungen von Religion und Politik in der Optik des \"wissenschaftlichen Studiums der Geschichte\", die die Funktionsbedingungen der Religion als Mittel der \"Klassenunterdrückung\" und der \"okkupatorischen Außenpolitik\"14 begriff. Mehr Sklavos (der das Pseudonym K. Kratinos benutzte) zuzurechnen, ist auch die Kritik der Auffassungen Sideris\' über die \"funktionelle\" und nicht \"organische\" Krise der internationalen Ökono-12 Die Krise unserer Partei. Bd. 4. Athen [1924]. S. 145-149. Vgl. auch KPG, Protokoll, a.a.O., S. 147157, 158-170.13 Vgl. Noutsos, Das sozialistische Denken, a.a.O., S. 249. 14 Religion und Politik. Bd. 4. Athen 11924). S. 70-73, 105-111. 134 JHK 1993Aufsätze und Miszellenmie, die, was ihre politische Tätigkeit betreffe, die kommunistischen Parteien zu einem \"theoretischen Verein\" gemacht habe.15Eine gedrängte und sorgfältige Darstellung der Entstehungs- und Überwindungsbedingungen der innerparteilichen Krise unternahm \"Gaios\",16 mit der Wiederauffrischung des entsprechenden Zitats aus dem Vorwort der Marxschen \"Kritik der Politischen Ökonomie\" über die Revolution als Umwandlung der \"politischen und juristischen Überdachung\" der Gesellschaft und mit der Erinnerung daran, daß auch die Vertreter des \"wissenschaftlichen Sozialismus\" bisweilen in ihrer Abschätzung des Grades der revolutionären Reife einer Epoche nicht immer recht behalten hätten. Die erste Frage, die der unter einem Pseudonym schreibende Kolumnist sowohl in Frontstellung zu Georgiadis als auch trotz Kritik von Stavridis stellte, betraf die Stärke der bürgerlichen Klasse. Mit der Feststellung, daß ihre politische Macht sich nicht mit den \"spasmodischen terroristischen\" Methoden (wie der Faschismus) gegen die \"gegnerischen\" gesellschaftlichen Kräfte decke, ermunterte er eine Untersuchung ihrer Stärke im Verhältnis zur Schärfe des Konflikts zwischen \"ihrem Produktionssystem und den gesellschaftlichen Kräften\", zu dem Ausmaß der Finanzkrise, zur Streitbarkeit der Arbeiterklasse und zu ihrem Einfluß auf die \"ländlichen und kleinbürgerlichen Massen\" sowie zur Standfestigkeit der \"internationalen Bourgeoisie\". Er griff auf den Entstehungsprozeß der bürgerlichen Klasse zurück, d.h. auf die \"bürgerliche\" Revolution, die mit einem \"nationalen und Befreiungs-\"Mantel umhüllt gewesen sei; auf 1909, wo sich das Handelskapital mit Unterstützung des Industriekapitals der Einnahme der politischen Macht zuwandte, und auf die kleinasiatische Katastrophe, die den politischen Bankrott der bürgerlichen Klasse \"im ganzen\" nach sich zog (sowohl des fortschrittlichen Teils, der von der Partei der Liberalen vertreten wurde, als auch der \"alten Politiker\"). Ferner verwies er auf die Verschärfung der Finanzkrise, auf das Anwachsen des Handelsbilanzdefizits und auf die Schwächung der Schiffahrt und der Tabakindustrie. Genau in dieser Situation habe sich der \"neue Feind\" der bürgerlichen Klasse erhoben, nämlich die Arbeiterklasse. Diese umfasse auch \"politische Führer\" der zurückgebliebenen gesellschaftlichen Schichten, sei insofern \"rein industriell\" und befinde sich insgesamt in einer Verteidigungsposition. Die \"gemeinsame Front\" bedeute in diesem Fall den Zusammenschluß der Arbeiter in den Reihen der GSEE, die mit der SEKE(K) verbunden war und als oberste Maxime den Klassenkampf sowie die Befreiung der Arbeiterorganisationen von der Kontrolle der \"verschiedenen gelben Organen der Plutokratie\" verfolgte. Sollte sich indes herausstellen, daß diese Zusammenarbeit die Neuordnung der nach Berufen organisierten Kräften behindere, dann sei es unbedingt notwendig, daß die Partei \"von sich aus\" diese Zusammenarbeit unterbreche, nicht nur im Interesse des Arbeitskampfes, sondern auch \"aufgrund politischer Zweckmäßigkeitserwägungen\". Außerdem wurde anstelle der \"politischen Untätigkeit\", die die erste allgriechische Konferenz mit der Akzentuierung der Forderung nach Propaganda und Organisation eingeführt hatte, die Entfaltung der \"systematischen und durchdachten\" Parteitätigkeit unter den Bauern, Kleinbürgern und Flüchtlingen vorgeschlagen. Weil das Bauernproletariat weiter unbewußt gehalten werde, könne die Losung von der \"Arbeiter- und Bauern\"-Regierung nur eine propagandistische Spitze sein. Bei den Kleinbürgern richtete sich das Augenmerk auf die \"ärmsten\" Elemente, die bislang stets von Mobilisierungen erfaßt und bereits \"fast proletarisiert\" wor-15 Über die Krise. Bd. 4. Athen [1924]. S. 150-154. 16 Vor der Situation. Bd. 4. Athen [1924]. S. 128-136. P. Noutsos: \"Bolschewisierwzg\" der KPGJHK 1993 135den seien. Jedenfalls sei die Aussicht auf diese wiedererwachte Bewegung nicht auf ihre nationalen Bedingungen begrenzt, sondern dehne sich auf die weltweite \"proletarische Front\" aus. Um die griechische Situation realistisch zu erfassen, sei auch die Berücksich­ tigung des internationalen Einflusses erforderlich. So erweise sich die Verbindung mit der Komintern als \"ideologisch\" und \"organisch\". Wenn in der Vergangenheit deren Ent­ scheidungen nicht auf die griechischen Verhältnisse zugetroffen hätten, dann sei das der Tatsache geschuldet, daß ihre hiesigen Vertreter wirklichkeitsfremd seien.Die Generation der \"Bolschewisierer\", die die Führung der SEKE(K) übernahm und bestrebt war, die KPG zur \"eisernen Organisation des Proletariats\" 17 zu machen, verfüg­ te (trotz ihres jugendlichen Alters) über ein hohes theoretisches Niveau, das ihnen eine aussichtsreiche Karriere innerhalb und außerhalb der Partei verhieß. Ihre politischen Grundgedanken bezogen sie aus der \"Waffenkammer\" der Komintern. In Kenntnis des­ sen, daß diese auch jetzt noch in ihren Reihen latent war, brach eine innere Krise aus. Gewiß anerkannten sie die Definition des \"Leninismus\", indem sie die Formel des \"revo­ lutionären Marxismus\" 18 überschritten und sich den Problemen der einheimischen sozia­ listischen Bewegung mit der interpretatorischen Zwiespältigkeit \"Bolschewismus\" \"Menschewismus\" näherten, ohne die besonderen Formen der Entwicklung des \"subjek­ tiven\" Faktors der Revolution in Griechenland zu vernachlässigen. Aus dieser Sicht schien diese Generation, die das \"geschichtsmächtigere Stadium der Entwicklung\" 19 der Partei der Arbeiterklasse prägte, aus den ersten bewährten \"Leninisten\" zu bestehen. Mit ihrem theoretischen Hintergrund standen sie jedoch einer dynamischen politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit gegenüber. Auf der einen Seite begünstigten die politi­ schen Gegensätze der bürgerlichen Klasse die Intervention der Militärs und nicht nur un­ ter dem Vorwand der \"mazedonischen Frage\" wurden die Kommunisten als neuer inne­ rer Feind verfolgt. Auf der anderen Seite stand die Unfähigkeit, die \"Betriebszellen\" zu organisieren, die Schwächung der GSEE und der notwendige Abbruch der \"organischen\" Beziehungen mit der KPG. Die schrittweise Spaltung der Komintern und der Partei der Bolschewisten beeinflußte diese Generation nachhaltig, für die an erster Stelle stand, Teil eines Gesamtgefüges zu sein. Schon Maximos schloß eine \"neue Spaltung\"20 nicht aus, weil auch er die Schwierigkeiten bei der Schaffung der innerparteilichen Geschlos­ senheit erkannte.Auf dem 3. außerordentlichen Kongreß der SEKE(K), auf dem die endgültige Umbe­ nennung in KPG beschlossen wurde, war die Generation der \"Bolschewisierer\" der Par­ tei schon bereit, die Herkunft aller Sparten der Arbeiterbewegung auf den Begriff \"Kommunismus\" zu reduzieren. Der Versuch, die einheimische Bewegung \"kommuni­ stisch zu machen\", manifestierte sich in der bedingungslosen Unterwerfung unter die Be­ fehle der Komintern, in der Forderung nach Reorganisation der KPG mit den Fabrik­ \"Zellen\" als wichtigstes Organisationsglied, im Beharren auf die nationale Frage und in der Ausdeutung der \"faschistischen\" Gefahr mittels der Beschlüsse des Führungsstabs der weltweiten Revolution, der den \"Marxismus-Leninismus\" als gemeinsamen Kodex ideologischen Verhaltens der nationalen Sektionen verarbeitete. Insbesondere die unter­ schiedlichen Definitionen des \"Marxismus-Leninismus\" von Sinowjew, Bucharin und17 KPG, Protokoll, a.a.O., S. 98. 18 Ebenda, S. 72-75. 19 Ebenda, S. 218. 20 Die Krise, a.a.O, S. 146. 136 .!HK 1993Aufsätze und MiszellenStalin sind zusätzliche Indizien des innerparteilichen Streits der Bolschewiken. Diejeni­ gen, die das zu Ende führten, waren dennoch wahrscheinlich die letzten, die an der west­ europäischen Linken gemessen wurden, mit primärer Kenntnis ihrer Quellen und gegen­ seitiger Beeinflussung ihrer Weltanschauung, wenn sie selbst auch rasch zu der Er­ kenntnis gelangten, daß die Beschlüsse der Komintern nicht mit der eigenständigen Zu­ sammensetzung der griechischen Gesellschaft und ihrer sichtbar werdenden Perspekti­ ven in Einklang zu bringen waren. P. Noutsos: \"Bolschewisierung\" der KPGJHK 1993 135den seien. Jedenfalls sei die Aussicht auf diese wiedererwachte Bewegung nicht auf ihre nationalen Bedingungen begrenzt, sondern dehne sich auf die weltweite \"proletarische Front\" aus. Um die griechische Situation realistisch zu erfassen, sei auch die Berücksichtigung des internationalen Einflusses erforderlich. So erweise sich die Verbindung mit der Komintern als \"ideologisch\" und \"organisch\". Wenn in der Vergangenheit deren Entscheidungen nicht auf die griechischen Verhältnisse zugetroffen hätten, dann sei das der Tatsache geschuldet, daß ihre hiesigen Vertreter wirklichkeitsfremd seien.Die Generation der \"Bolschewisierer\", die die Führung der SEKE(K) übernahm und bestrebt war, die KPG zur \"eisernen Organisation des Proletariats\"17 zu machen, verfügte (trotz ihres jugendlichen Alters) über ein hohes theoretisches Niveau, das ihnen eine aussichtsreiche Karriere innerhalb und außerhalb der Partei verhieß. Ihre politischen Grundgedanken bezogen sie aus der \"Waffenkammer\" der Komintern. In Kenntnis dessen, daß diese auch jetzt noch in ihren Reihen latent war, brach eine innere Krise aus. Gewiß anerkannten sie die Definition des \"Leninismus\", indem sie die Formel des \"revolutionären Marxismus\"18 überschritten und sich den Problemen der einheimischen sozialistischen Bewegung mit der interpretatorischen Zwiespältigkeit \"Bolschewismus\" \"Menschewismus\" näherten, ohne die besonderen Formen der Entwicklung des \"subjektiven\" Faktors der Revolution in Griechenland zu vernachlässigen. Aus dieser Sicht schien diese Generation, die das \"geschichtsmächtigere Stadium der Entwicklung\"19 der Partei der Arbeiterklasse prägte, aus den ersten bewährten \"Leninisten\" zu bestehen. Mit ihrem theoretischen Hintergrund standen sie jedoch einer dynamischen politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit gegenüber. Auf der einen Seite begünstigten die politischen Gegensätze der bürgerlichen Klasse die Intervention der Militärs und nicht nur unter dem Vorwand der \"mazedonischen Frage\" wurden die Kommunisten als neuer innerer Feind verfolgt. Auf der anderen Seite stand die Unfähigkeit, die \"Betriebszellen\" zu organisieren, die Schwächung der GSEE und der notwendige Abbruch der \"organischen\" Beziehungen mit der KPG. Die schrittweise Spaltung der Komintern und der Partei der Bolschewisten beeinflußte diese Generation nachhaltig, für die an erster Stelle stand, Teil eines Gesamtgefüges zu sein. Schon Maximos schloß eine \"neue Spaltung\"20 nicht aus, weil auch er die Schwierigkeiten bei der Schaffung der innerparteilichen Geschlossenheit erkannte.Auf dem 3. außerordentlichen Kongreß der SEKE(K), auf dem die endgültige Umbenennung in KPG beschlossen wurde, war die Generation der \"Bolschewisierer\" der Partei schon bereit, die Herkunft aller Sparten der Arbeiterbewegung auf den Begriff \"Kommunismus\" zu reduzieren. Der Versuch, die einheimische Bewegung \"kommunistisch zu machen\", manifestierte sich in der bedingungslosen Unterwerfung unter die Befehle der Komintern, in der Forderung nach Reorganisation der KPG mit den Fabrik\"Zellen\" als wichtigstes Organisationsglied, im Beharren auf die nationale Frage und in der Ausdeutung der \"faschistischen\" Gefahr mittels der Beschlüsse des Führungsstabs der weltweiten Revolution, der den \"Marxismus-Leninismus\" als gemeinsamen Kodex ideologischen Verhaltens der nationalen Sektionen verarbeitete. Insbesondere die unterschiedlichen Definitionen des \"Marxismus-Leninismus\" von Sinowjew, Bucharin und17 KPG, Protokoll, a.a.O., S. 98. 18 Ebenda, S. 72-75. 19 Ebenda, S. 218.20 Die Krise, a.a.O, S. 146.

Inhalt – JHK 1993

Copyright:

Eventuell enthaltenes Bildmaterial kann aus urheberrechtlichen Gründen in der Online-Ausgabe des JHK nicht angezeigt werden. Ob dieser Beitrag Bilder enthält, entnehmen Sie bitte dem PDF-Dokument.