JHK 1993

Konferenz zur Geschichte des \"Kalten Krieges\" vom 12. bis 15. Januar 1993 in Moskau

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung | Seite 353-362

Autor/in: Lidija Miljakowa (Moskau)

Zu dem Thema Geschichte des \"Kalten Krieg\" führten vom 12. bis 15. Januar 1993 das Moskauer Institut für allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaf­ ten, das Moskauer Zentrum für die Aufbewahrung zeitgenössischer Dokumente (Leitung R. Ussikow) und das Woodrow Wilson International Center for Scholars in Washington D.C. als Initiatoren und Träger des Cold War International History Project eine gemein­ same wissenschaftliche Konferenz in Moskau durch.In seinem Einleitungsreferat hob W. Taubman (USA) hervor, daß die amerikanisch­ russische Vereinbarung mit dem Moskauer Zentrum für die Aufbewahrung zeitgenössi­ scher Dokumente erstmals die Möglichkeit schuf, die Einseitigkeit in der bislang auf westlichen Quellen basierenden Geschichtsschreibung des \"Kalten Krieges\" zu überwin­ den, weshalb auch der Konferenz eine große Bedeutung zukomme. Gleichzeitig bedauerten die Teilnehmer der Konferenz allerdings, daß keine analogen Abkommen mit anderen russischen Archiven zustandekamen wie dem Russischen Zentrum für Auf­ bewahrung und Erforschung von Dokumenten der neusten Geschichte (bis 1953), dem Archiv des Außen- und des Verteidigungsministeriums; sie bedauerten ebenfalls, daß das sog. Präsidenten-Archiv für Wissenschaftler geschlossen wurde.Das Konferenzprogramm war chronologisch-thematisch aufgebaut und umfaßte Pro­ bleme wie die Entstehung des \"Kalten Krieges\", die deutsche Frage, das Stalinsche Erbe in der sowjetischen Außenpolitik 1953-55, die Krisen des \"Kalten Kriegs\" (Suez, Berlin, Kuba), die militärischen Interventionen der UdSSR in Ungarn und in der Tschechoslo­ wakei, die sowjetische Gesellschaft in der Periode des \"Kalten Krieges\" u.a.m.Unter den Vorträgen über die Ursprünge des \"Kalten Krieges\" stieß der von L. Gi­ bianskij (Moskau) auf ein besonderes Interesse. Der Referent verfolgte die Prozesse der Entstehung des sozialistischen Lagers und betonte den Machiavellismus in den Bezie­ hungen Stalins zu den Führern der kommunistischen Parteien in Osteuropa (z.B. im Zu­ sammenhang mit der Gründung des Kominform). Weiterhin ging Gibianskij auf die Sta­ linschen Konzepte für die Gestaltung des sozialistischen Lagers ein. W. Wolkow 354 JHK 1993Tagungsberichte(Moskau) analysierte auf der Grundlage von Materialien aus dem Komintern-Archiv die Ursprünge der Konzepte für die Nachkriegsregime in Osteuropa und fixierte den chrono­ logischen Rahmen der Realisierung dieser Ziele auf den Zeitraum Sommer-Herbst 1944. Der Referent zog die Schlußfolgerung, daß in dieser Region bereits bei Kriegsende ein selbständiger militärisch-politischer Block mit der UdSSR an der Spitze formiert war, der innerhalb der Anti-Hitler-Koalition wirkte.Die Beiträge von Scott Parrish (USA) und M. Narinskijs (Moskau) waren einem Schlüsselproblem des \"Kalten Krieges\" - dem Marshall-Plan - gewidmet. Der Marshall­ Plan wurde in beiden Referaten als ein Wendepunkt zum \"Kalten Krieg\" betrachtet. Während sich S. Parrish auf die Entwicklung der sowjetischen Position in dieser Frage konzentrierte, analysierte M. Narinskij den Marshall-Plan im Kontext der Widersprüche zwischen den beiden Großmächten und wies insbesondere auf die Unvereinbarkeit der amerikanischen und der sowjetischen Nachkriegskonzeption in der Frage des Wiederaufbaus Europas hin.N. Jegorowa unterstrich in ihrem Vortrag \"Von der Komintern zum Kominform: Die Rolle der Ideologie in der Genesis des \'Kalten Krieges\"\' die Bedeutung der \"Parteidiplo­ matie\" in der sowjetischen Außenpolitik der Nachkriegszeit, insbesondere die Ausnut­ zung der kommunistischen und der demokratischen Bewegung in den verschiedenen Ländern im Interesse der UdSSR.Eine große Zahl von Beiträgen war der deutschen Frage gewidmet. Besonders auf­ merksam verfolgte man die Faktoren, die auf die sowjetische Position gewirkt hatten. A. Filitow (Moskau) wies anhand von SMAD-Materialien die Existenz verschiedener Ten­ denzen im sowjetischen Denken in der Deutschlandfrage 1945-49 nach. In einen zweiten Referat zur Periode 1953-55 entwickelte er die These über das Vorhandensein verschie­ dener Paradigmen in der sowjetischen Politik gegenüber Deutschland. Einen mehr per­ sonifizierten Zugang zu dieser Thematik wählte James Richter (USA), der schlußfolger­ te, daß in der Zeit der \"Zwischenherrschaft\" nach Stalins Tod die deutschlandpolitischen Zielsetzungen von Berija ausgingen. Nach dessen Verhaftung gewann die harte Linie ei­ ner Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands die Oberhand.Von einer anderen Position heraus analysierten W. Subok (Moskau) und Hope Har­ rison (Washington) die Berlinkrise 1958-61. Beide meinten, daß die damalige Entwick­ lung in erheblichem Maße vom sowjetisch-chinesischen Konflikt bestimmt wurde, der von der DDR-Führung zur Verhärtung des Konflikts ausgenutzt wurde. Mit dem Vortrag von W. Afiani und I. Iwanow (Moskau) über die Suez-Krise 1956 wurde der thematische Bereich \"Kalter Krieg\" und Krisen fortgeführt. Die Referenten zogen den Schluß, daß in jenen Jahren die Dritte Welt die Priorität in der außenpolitischen Planung der UdSSR im Kampf gegen den Kapitalismus erlangt habe. W. Posdnjakow (Moskau) wies auf die un­ bekannte Tatsache der Herausbildung einer \"öffentlichen\" Meinung in der UdSSR über diese Frage hin, die aus Dokumenten des ZK der KPdSU, aus Meldungen des KGB und des Verteidigungsministeriums rekonstruiert wurde.Ein bedeutender Teil der Referate beschäftigte sich mit dem Thema \"Sowjetische In­ terventionen\". A. Stykalin analysierte den Einfiuß der KPdSU-Führung auf die Ent­ scheidungsfindung in der ungarischen Parteispitze während der Krise 1956. Die Beiträge von M. Latysch, A. Tschernjew und M. Korobotschkin über die sowjetische Einmi­ schung in der Tschechoslowakei machten auf unterschiedliche Positionen in der sowjeti­ schen Führung aufmerksam, auf Formen und Methoden der sowjetischen Parteidiploma- TagungsberichteJHK 1993 355tie. Sie sprachen auch über die Beeinflussung des sog. Normalisierungsprozesses in der CSSR durch den Kreml und über die kollaborationistische Haltung der KPC-Führung. Das Referat von J. Granville (USA) war der vergleichenden Analyse der Mechanismen in den sowjetischen Entscheidungen zur Frage der militärischen Intervention im \"Kalten Krieg\" gewidmet.W. Leltschuks wandte sich in seinem Vortrag dem Thema \"\'Kalter Krieg\' und die Sow�etgesellschaft\" zu und untersuchte die Zusammenhänge zwischen Innen- und Aus­ senpolitik der UdSSR, fragte nach der sozialen Basis der Politik des \"Kalten Krieges\" im Lande. Er umriß Bereiche, deren Existenz von dieser Politik abhing (beispielsweise der militärisch-industrielle Komplex und das GULag-System), und beschrieb die Methoden, mit deren Hilfe die sowjetische Bevölkerung in die Realisierung der Politik einbezogen wurde.Die Konferenz wurde allgemein als ein Erfolg und Beweis für die Effektivität dieses russisch-amerikanischen Kooperationsprojekts bewertet, das der Forschung eine Menge von einzigartigen, früher unerreichbaren Quellenmaterialien zugeführt hat. Im Rahmen einer Projektfortsetzung wurde eine weitere Kooperation bei Publikationsvorhaben, beim Wissenschaftleraustausch und bei Konferenzen sowie neuen Forschungsvorhaben vereinbart. Zu bedauern ist jedoch, daß an der Konferenz lediglich russische und ameri­ kanische Wissenschaftler teilgenommen haben. Ein Mangel, den auch die geplante Ver­ öffentlichung der zentralen Beiträge nicht wird aufwiegen können.Jutta Petersdorf (Berlin)Lenin ohne Ismus. Das internationale Symposium \"Lenin - Theorie und Praxis in historischer Perspektive\" vom 15. bis 18. März 1993 in WuppertalEs war eine überschaubare Teilnehmerzahl, die einer Einladung des Vorbereitungskomi­ tees und seiner federführenden Initiatoren Theodor Bergmann (Stuttgart), Gert Schäfer (Hannover), Mario Keßler (Berlin/Potsdam) und Wladislaw Hedeler (Berlin) zum Inter­ nationalen Symposium \"Lenin - Theorie und Praxis in historischer Perspektive\" vom 15. bis 18. März 1993 in Wuppertal gefolgt war. Den historischen Hintergrund lieferten die 1988 und 1990 an der Bergischen Universität Wuppertal stattgefundenen Tagungen, die den Jubiläen von Bucharins 100. Geburtstag und dem 50. Jahrestag der Ermordung Trotzkis gewidmet waren. Dem damals vereinbarten Lenin-Kolloquium blieben die Ver­ anstalter treu, weil sie angesichts der gegenwärtigen historischen Umbruchssituation weniger Zeitgeist und Siegesrausch zu Worte kommen lassen wollten als die nüchterne, zweifelnde, sachlich-kritische Analyse von Lenins Theorien und Praxis. Ein weites Spektrum der Beurteilungen stand zur Diskussion, und faktisch alle momentan gehandel­ ten Meinungen über Lenin spiegelten sich auf die eine oder andere Weise in den vorge­ legten Papieren und mündlichen Beiträgen wider. Die Hauptthemen, zu denen sich die anwesenden 25 Forscherinnen und Forscher aus zehn Ländern vorbereitet hatten, betra- 356 JHK 1993Tagungsberichtefen: 1. die Genese Leninschen Denkens, seine internationalen und nationalen Wurzeln, Lenins Marxismus, 2. die Leninsche Praxis in zeitgenössischer Rezeption mit der Kon­ zentration auf Parteitheorie und -politik, Revolutionstheorie und Komintern sowie 3. die kritische Sicht von Theoretikern und Politikern des Marxismus auf Lenin. Da die Konfe­ renz nicht nach einem inhaltlich streng gegliederten Schema verlief und hier auch nicht alle Beiträge gleichermaßen referiert werden können, konzentrieren sich die folgenden Bemerkungen auf eine Zusammenfassung der debattierten Schwerpunkte. Weder Philo­ sophenkönig noch reiner Pragmatiker, sondern Lenin als historische Persönlichkeit war Gegenstand mehrer Beiträge. Wie Alexander Kan (Uppsala) hervorhob, ist eine Be­ schäftigung mit Lenin heute nur in dreifacher Richtung möglich: durch die Erschließung neuer Quellen (die Zahl der noch nicht veröffentlichten Lenin-Dokumente wurde kürz­ lich mit 3.724 angegeben), durch eine Revision der Lehre oder aber den Verweis auf Nuancen einer unvoreingenommenen und nicht-ideologisierten Revision. Im Vergleich der Beziehung von Internationalem und Nationalem im Bolschewismus zu Lenin skiz­ zierte Kan dessen Vorliebe für die \"deutschen Tugenden\" und das westeuropäische 19. Jahrhundert in seiner starken Distanzierung vom Russentum als das gerade echt russi­ sche Sein Lenins. Der Berliner Historiker Wolfgang Ruge bemerkte, daß nicht die Fä­ higkeiten einer einzelnen Person den Geschichtsablauf bestimmen, sondern daß es sich um ein Konglomerat von Umständen, Bedingungen und Verstrickungen vielfältiger Kräfte und Prozesse handelt, in deren Mittelpunkt die durch die Umstände historisch gewordene Person steht. Den Widerspruch zwischen Mittel und Zweck in der Politik belegend, verwies er Lenins gedachtes Ziel einer von Ausbeutung, Unterdrückung und Entrechtung befreiten sozialistischen Ordnung sowohl wegen der Unzulänglichkeiten im menschlichen Handeln als auch wegen der Kontinuität und Diskontinuität bei Lenin selbst in den Bereich einer nicht verwirklichbaren Utopie. Monty Johnstone (London) unterstrich die zwiegespaltene Persönlichkeit Lenins, indem er die immer wiederkehren­ de Abfolge der Opferung demokratischer Auffassungen zugunsten der Notwendigkeiten des politischen Kampfes verdeutlichte. Der Politikwissenschaftler Uli Schöler reflek­ tierte die Auffassungen von Karl Kautsky, Ottos Bauer und Paul Levi über Lenin. Harald Jentsch (Leipzig) betonte in seinem Beitrag über Lenins ambivalentem Kampf gegen Sektierertum und \"Offensivtheorie\" in den Jahren von 1919 bis 1921 die zwei in der Ge­ schichte der marxistischen Theorie und der internationalen Arbeiterbewegung gängigen Extreme in der Beurteilung Lenins: Entweder wurde er zum Fortsetzer der Marxschen Lehre hochgelobt oder zum geradlinigen Mittler zwischen der Marxschen Lehre und den Verbrechen Stalins degradiert. Damit leitete der Referent gewissermaßen zum zweiten Schwerpunkt über. Lenins Marxismus bzw. die Vereinfachung des Marxismus durch Lenin in seinem Gesellschaftskonzept war der Tenor einer theorieintensiven Diskussi­ onsrunde, die insbesondere Wolfgang F. Haugh (Berlin), Wladislaw Hedeler, Mario Keßler, Wolfgang Küttler (Berlin), Monika Runge (Leipzig) und Gert Schäfer bestritten. Ausgangspunkt waren die von Haugh unterbreiteten vorläufigen Überlegungen zur Phi­ losophie und Praxis bei Lenin. Seine Thesen, daß nur durch die Kritik Lenins Beitrag zum Marxismus aus dem Zusammenbruch des von ihm gegründeten Staates zu retten sei und daß nur ein aus den von Lenin zur Umwälzung des marxistischen Status der Philo­ sophie eingezogenen Strukturen befreites Denken ihn für marxistisches Denken zurück­ zugewinnen bedeutet, wurden allgemein akzeptiert. TagungsberichteJHK 1993 357Monika Runge präzisierte dies insofern, als sie auf die sehr unterschiedliche Beurtei­ lung des Status der Philosophie durch Lenin aufmerksam machte. Nachfragen und Wi­ derspruch rief vor allem die These von Haugh hervor, daß die Marxschen Kritiken in ih­ rer durch Lenin angebahnten Rezeption im Marxismus-Leninismus mit einer Filterung und vordergründigen Politisierung gleichzusetzen sei. So stellte Küttler die Fragen: Wie ist der Marxismus als weltanschaulich normative, handlungsorientierte Bewegung zu begründen? Besteht ein Grundwiderspruch zwischen dem philosophischen, dem philo­ sophiekritischen Denken, dem Wissenschaftsverständnis mit seiner Analyse der gegebe­ nen Realitäten und den Erfordernissen der politischen Umsetzung? Was wäre das Er­ gebnis, würde man den sich praktisch verstehenden Marx mit dem Praktiker Lenin ver­ gleichen? Schäfer konzentrierte sich auf das allgemeine Problem der Herausforderung des Marxismus als Weltanschauung und die dementsprechende Position Lenins, während Wladislaw Hedeler anhand seines eigenen Beitrages über Lenins Aneignung des Mar­ xismus schlußfolgerte, Lenin sei als Theoretiker zu verstehen, der sich auf Marx zur Il­ lustration russischer Verhältnisse berief, ohne mit dem bei Marx zu findenden Anspruch aufzutreten, klassische Allgemeinaussagen formulieren zu wollen. Summa summarum: Es liegt wohl eine tiefe Weisheit in der Geschichte, daß sie Marx nicht in den Zustand eines Staatsoberhauptes versetzte. Theorie, so Haugh, sei stets nur eine vorübergehende Orientierungshilfe für Politik. Sie muß ständig neu gedacht werden. Den Einstieg in die Erörterung der revolutionären Praxis Lenins gaben die Beiträge von Jens Becker und Thomas Zöller (Frankfurt/Dietzenbach) über die sozialen Bewegungen 1917 und von Reinhart Kößler (Münster) \"Zwischen evolutionärem Determinismus und Voluntarismus- Versuch über Lenins \'theoretische Tat\' 1917\". Sie rückten die Frage in den Mittel­ punkt, welcher Aufgabe die Oktoberrevolution, gemessen an der historischen Situation, nachkam: der einer notwendigen Rekonstruktion in Rußland oder der einer radikalen Alternative zur Entwicklungsrevolution. Die Polemik der Autoren Becker und Zöller aufgreifend, sprach sich Johnstone dafür aus, die Argumente Sinowjews und Kamenews gegen den bewaffneten Aufstand zu überprüfen sowie die realen und irrealen Chancen für die Demokratie in Rußland in Zusammenhang mit den Ereignissen um die Einberu­ fung der Konstituierenden Versammlung zu beleuchten. Untersuchungen zur Partei­ theorie und -politik bestimmten die Aussagen in den Papieren von Schäfer \"Lenins Be­ griffe von Bürokratie und Bürokratisierung\", Elke Scherstjanoi (Berlin) \"Soll jede Kö­ chin den Staat regieren? oder: Kontrolle von oben - Kontrolle von unten im Leninschen Konzept der demokratischen Diktatur\" und Bill Hansen/Brigitte Schulz (Hartford, Con­ necticut) \"That is to be undone - Lenin, socialism, democracy\". In vier Thesen verdeut­ lichte Schäfer, wie auf Grund von Lenins Organisationskonzept einer zentralisierten Führerpartei sowie der politischen Weichenstellungen wider besseren Wollens und un­ vorhergesehener Konsequenzen der totalitär-bürokratische Staat (Trotzki) entstand. Er­ läuterungen, in welchem Bezugssystem die bürokratischen Erscheinungen kritisiert wur­ den, aber auch Überlegungen zu alternativen Regelungen blieben ausgespart.Elke Scherstjanois Darlegungen über Lenins Neuorientierung auf das diktatorische Moment, das zum Ausgangspunkt eines potentiell antiemanzipatorischen Verstaatli­ chungsprozesses der Revolution wurde, standen wegen des in ihnen enthaltenen Verwei­ ses auf die Rückständigkeit Rußlands und die Schwierigkeit der nachholenden Zivilisa­ tionsprozesse in direktem Bezug zum diskutierten Problem der Erziehungsdiktatur als einem Schlüsselbegriff für die unter dem Schlagwort \"Kulturrevolution\" subsummierten 358 JHK 1993TagungsberichteVeränderungen im geistig-kulturellen Bereich. Der Beitrag von Jutta Petersdorf (Berlin) \"Lenin und die Intelligenz - eine Beziehung zwischen Gewalt und Vernunft\" veranlaßte Schäfer, ein neues Nachdenken über die dritte Feuerbach-These von Marx anzumahnen. Im Grunde genommen sei in ihr schon potenziert, was sich im Nachhinein bestätigte: In dem Augenblick, wo die revolutionäre Intelligenz versucht, mit Hilfe von erziehungsdik­ tatorischen politischen Herrschaftsformen Veränderungen herbeizuführen, dividiert sich die Gesellschaft notwendigerweise in zwei Teile, was den einen über den anderen erha­ ben macht. Über Lenin und die Komintern, die Komintern als Alternative zur Passivität der internationalen Arbeiterbewegung entwickelten Alexandr Watlin (Moskau), Pierre Broue (St. Martin d\' Heres), Friedrich Firsow (Moskau), August Lesnik (Ljubljana) ihre Standpunkte. Bernhard H. Bayerlein (Aachen) lieferte einen Exkurs in Sachen Quellen­ analyse und -kritik, indem er anhand der jetzt im ehemaligen Moskauer Parteiarchiv zu­ gänglichen Beschlußprotokolle des Politbüros der SDAPR(B)/KPdSU(B) deren Bezüge zur Komintern aufzeigte. Seiner an die russischen Kollegen gerichteten Bitte, eine Zer­ stückelung der Dokumente aufzuhalten, war außer Beifall nichts hinzuzufügen. Neben den Vorträgen von Matitiahu Mayzel (Tel Aviv) \"Lenin and the military\", Marjan Bri­ tovsek (Ljubljana) über die erste sowjetische Verfassung und die Föderation, Witali Starzew (St. Petersburg) über Lenins Sozialismusauffassungen, Boris Starkow (St. Pe­ tersburg) über die Hauptideen des antistalinschen Widerstandes Ende der zwanzi­ ger/Anfang der dreißiger Jahre und von Song Hongxun (Beijing) über Lenins Sozialis­ muskonzeption und die gegenwärtige Welt behandelte ein letzter Themenkreis formati­ onstheoretische Fragen. Für Küttler bot er den Anlaß, die Forschungsergebnisse über Lenins Beitrag zur Theorie und Methode der Geschichts- und Sozialwissenschaften an­ hand von dessen Werk- und Wirkungsgeschichte vorzutragen. Seine differenzierte Sichtweise kam in der Benennung solcher Hauptperioden wie der vor 1905, der Revolu­ tion wie Reaktion spiegelnden Zeit von 1905/07 bis 1910, des Vorabends des Ersten Weltkriegs und seiner Dauer sowie in bezug auf die Jahre von 1917, 1921 und 1922 zum Ausdruck. Ebenso wie jede andere Konferenz vermochte auch diese nicht, alle anstehenden Fragen zu behandeln. Zu den ausgesparten Themen - trotz ihres mehrfachen Bezugs zu den schriftlich vorgelegten Beiträgen - gehörte das Verhältnis Lenins zum Terror wie auch das Ineinandergreifen der Macht eines von Lenin an Stalin vererbten, nicht mehr zu re­ gulierenden Machtapparates. Aber auch zu den Parallelen und Gegensätzen hinsichtlich der angestrebten Übereinstimmung von individuellen und Klassengegensätzen ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.Es bleibt nur zu hoffen, daß das historische Interesse an Lenin nicht ebenso sang- und klanglos untergeht wie das von ihm geschaffen Modell des \"sozialistischen\" Staates. Martin Rißmann (Koblenz)Bericht über das IX. Kolloquium zur Geschichte der DDR der Ost-Akademie Lüneburg vom 20. bis 22. November 1992Das DDR-Kolloquium der Ost-Akademie Lüneburg ist ein Forum zur Vorstellung lau­ fender wissenschaftlicher Projekte zur Geschichte der DDR. Es dient weniger der Prä­ sentation abgeschlossener Arbeiten als der Darstellung vorläufiger Thesen und der Erör­ terung von Quellen und Methoden. In Lüneburg hat vor allem der Nachwuchs Gelegen­ heit, Zwischenbilanzen von Magister- und Doktorarbeiten zur Diskussion zu stellen. Darüber hinaus nehmen auch erfahrene Wissenschaftler die Gelegenheit zum Vortrag wahr. Da beim IX. Kolloquium, das vom 20. bis. 22. November 1992 stattfand, erste Er­ gebnisse aus Archivstudien in den neuen Bundesländern zur Sprache kamen, durfte die Veranstaltung besonderes Interesse beanspruchen. Obwohl ein Rahmenthema für die einzelnen Kurzvorträge nicht vorgegeben war, entwickelten sich Schwerpunkte bei der Gründungs- und Formierungsphase in den fünfziger Jahren sowie beim Themenbereich des revolutionären Umbruchs 1989/90.In die Problematik der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit führte der Trierer Doktorand Ralf Altenhof in seinem Vortrag über die Aufgaben und Arbeitsweise der vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission \"Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland\" ein. Die Diskussion entzündete sich insbeson­ dere am Spannungsverhältnis von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn und politischer Bewertung. Inwieweit kann die Suche nach Ergebnissen, die unter den Parteien konsens­ fähig sein sollen, einen substantiellen Beitrag zur kritischen Aufarbeitung der DDR-Ge­ schichte liefern? Nicht nur von Teilnehmern aus den neuen Bundesländern wurde in die­ sem Zusammenhang Unbehagen geäußert, daß die Aufarbeitung der Geschichte der DDR von einem parlamentarischen Gremium und mit westdeutscher Dominanz betrie­ ben wird.Den ersten Abend beschloß die Vorstellung eines Projekts der \"Forschungsgesell­ schaft Deutsche Nachkriegsgeschichte e.V.\". Es handelt sich um eine Initiative Hambur­ ger Geschichtsstudenten, die in Gemeinschaftsarbeit Untersuchungen zur DDR-Ge­ schichte vornehmen. Erläutert wurde das Vorhaben, den Verlauf der friedliche Revolu­ tion im kleinstädtischen Raum in den Blick zu nehmen. Am Beispiel der Stadt Friedland (ca. 8.500 Einwohner) soll durch Archivarbeit, Zeitzeugenbefragung sowie Zeitungsana­ lysen untersucht werden, inwieweit es fernab der großen politischen Zentren zu opposi­ tionellen Kundgebungen kam und welche Bürgergruppen sich gegen das SED-System organisierten.Am Beispiel von drei prominenten Mitgliedern der Sowjetischen Militäradministra­ tion stellte Elke Scherstjanoi (Berlin) die Unterschiede in Vorbereitung, Einstellung und im Deutschlandbild von sow�etischen Besatzungsoffizieren dar. Bei der Typenbildung des \"Verwalters\", \"Beamten\" und \"Sicherheitsmannes\" konnte sie auf ihre Moskauer Ar­ chivstudien über die SKK zurückgreifen und feststellen, daß sich das Verhalten der Of­ fiziere aber auch die Offenheit ihrer Berichterstattung nach Moskau in den Jahren 1945 bis 1949 deutlich verändert habe. Der Typ des Verwalters der unmittelbaren Nach- 360 JHK 1993Tagungsberichtebis 1949 deutlich verändert habe. Der Typ des Verwalters der unmittelbaren Nach­ kriegsphase habe über ein relativ realistisches Deutschlandbild verfügt und noch mehr informellen Umgang mit der deutschen Bevölkerung unterhalten. Beim \"Beamten\" hin­ gegen hätten die politisch-strategische Beobachtung und der Blickwinkel der Moskauer Ministerien im Vordergrund gestanden. Beim Typus des \"Sicherheitsmannes\" sei der in­ formelle Kontakt zur deutschen Bevölkerung noch weiter zurückgegangen.Mit der Frage des Umgangs mit den zahlreichen ungewollten Schwangerschaften, die in der Folge von Vergewaltigungen durch Angehörige der russischen Besatzungstruppen entstanden waren, befaßte sich Kirsten Poutrus (Berlin) in ihren Ausführungen zum \"Abtreibungsrecht und Abtreibungspraxis in der SBZ 1945-1950\". Die Berliner Disser­ tation wird die Einflußfaktoren auf die Gesetzgebung der Länderparlamente in der SBZ 1947/48 gewichten, die getroffenen Regelungen für den Schwangerschaftsabbruch dar­ stellen sowie die Haltung der deutschen Kommunisten und der SMAD untersuchen. Die Referentin vertrat die These, daß die Reform des § 218 durch eine russische Initiative veranlaßt worden sei, während die Rücknahme dieser Regelungen durch das Mutter­ schutzgesetz der Volkskammer im Jahr 1950 auf bevölkerungspolitische Gründe zurück­ zuführen sei. Die Quellenlage zu diesem Thema gilt als besonders schwierig, da die Re­ form der Jahre 1947/48 später bewußt verschwiegen worden ist.Die Gründung und Entwicklung der Arbeitsbrigaden stellte Jörg Roesler (Potsdam) in seinem Vortrag \"Brigadier contra Meister - innerbetriebliche Machtkämpfe Anfang der fünfziger Jahre\" dar. Die Entwicklungsgeschichte der Brigaden sei ein Beispiel, daß die SED den Umstrukturierungsprozeß in den Betrieben zunächst nicht vollständig habekontrollieren können. In einigen Fällen sei die Bildung der Brigaden von den Beleg­ schaften erwünscht gewesen, da sich einige Arbeiter eine Verbesserung ihrer Position in der Betriebshierarchie erhofft hätten. Wo die SED unvorbereitete und vorzeitige Grün­ dungen erkannte, habe sie nur unter Schwierigkeiten gegen unerwünschte Entwicklun­ gen vorgehen können, da die Träger der Brigadebildung häufig die Aktivisten und Best­ arbeiter des Betriebes gewesen seien. Bereits 1951/52 habe durch das Meistergesetz eine allgemeine Restrukturierung eingesetzt, die zur vorübergehenden Wiedereinsetzung der Meister in ihre alten Funktionen und schließlich zur Auflösung der Arbeitsbrigaden in den Jahren 1955 - 1958 führten. Roesler zog das Fazit, daß sich die Geschichte der Ar­ beitsbrigaden nur schwer in das Interpretationsschema der zentralen Kommandowirt­ schaft einordnen lasse.In seiner Magisterarbeit untersucht Klaus Jansen (Hamburg) am Beispiel des Bezirks Potsdam die Struktur der Zu- und Abwanderungen in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Auf der Basis der Wochen- und Monatsstatistiken des Rates des Bezirks berich­ tete Jansen über sehr interessante Detailergebnisse. So sei festzustellen, daß die Nähe des Kreises zu Berlin in der Regel in einem direkten Verhältnis zur Abwanderungsquote stehe. Weiterhin sei im Verhältnis 1 : 3 auch eine erstaunlich hohe Zahl an Zuwanderern in den Bezirk nachzuweisen. Bei der Gruppe der Rückkehrer ergebe eine Analyse der Altersstruktur Hinweise, daß die Zahl kinderreicher Familien überdurchschnittlich hoch gewesen sein müsse. Hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung der Abwanderer regi­ strierte Jansen einen konstanten Anteil bei der Gruppe der Angestellten, während der Anteil der Arbeiter im Zeitraum 1955-1959 abgenommen habe. Eine deutliche Zunahme sei bei der Gruppe der \"Anderen\" zu verzeichnen, die sowohl Hausfrauen, Rentner als auch die dem Kollektivierungsdruck ausgesetzten selbständigen Handwerker umfasse. TagungsberichteJHK 1993 361In einem regionalgeschichtlichen Ansatz untersuchte Angelika Klein (Halle) die Auswirkungen des XX. Parteitages der KPdSU in den SED-Parteiorganisationen des Bezirks Halle. Die ideologische Anpassung an die Enthüllungen der Chruschtschow-Re­ de und die Loslösung von alten Propagandalosungen seien in der SED-Bezirksleitung zunächst sehr schleppend erfolgt. Am Beispiel der Universität Halle stellte die Referen­ tin die Reaktionen der SED auf die kritische Infragestellung ihrer Herrschaftspraxis dar. Auffällig sei, daß insbesondere die mittlere Ebene des wissenschaftlichen Personals, die Assistenten und Aspiranten, und weniger die Professoren von Parteiausschlüssen betrof­ fen waren.Zur \"Rolle der Ost-CDU im politischen System der DDR\" sprach Martin Rißmann (Koblenz). Auf der Grundlage der Akten des CDU-Parteiarchivs, der Beurteilungen der ZK-Abteilungen \"Befreundete Parteien\" sowie der Befragung ehemaliger Funktionäre erläuterte er die politisch-ideologische Überzeugungsarbeit gegenüber den eigenen Mitgliedern als die wesentliche, den Blockparteien zugewiesene Funktion. Das Tätig­ keitsfeld der Parteiarbeit sei weitgehend in eigener Regie gestaltet worden, während die Aktivitäten der CDU in den Volksvertretungen und in der Nationalen Front vollständig den Reglementierungen und Anweisungen der SED unterworfen gewesen seien. Am Beispiel der Einführung der Jugendweihe und der Kollektivierungsmaßnahmen in Landwirtschaft und Handel erläuterte das Referat die These, daß die CDU-Parteiführung eine Interessenvertretung der Belange ihrer Mitglieder bereits zur Mitte der fünfziger Jahre nicht mehr angestrebt habe. In diesen Konflikten manifestierte sich auch die aus­ geprägte Differenz zwischen der SED-hörigen Parteiführung und den Mitgliedern, beidenen nach Einschätzung der SED noch Ende der sechziger Jahre \"reaktionäre\" Auffas­ sungen vorherrschend gewesen seien.Kerstin Thöns (Berlin) informierte über ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Ju­ gendpolitik der SED in den Jahren 1958 bis 1965. Die Intentionen und Instrumente des Staates sollen ebenso in den Blick genommen werden wie die Einstellungen der Jugend­ lichen und die sie prägenden Einflußfaktoren. Für die zweite Fragestellung werden die Erhebungen des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung ausgewertet, die seit 1961 angestellt wurden. Als ein erstes Teilergebnis referierte Kerstin Thöns über ein deutliches Spannungsverhältnis zwischen den staatlichen Sozialisationsnormen und der tatsächlichen Befindlichkeit junger Menschen in der DDR. Trotz der seit Jahren prakti­ zierten Verfahren politisch-ideologischer Einflußnahme in Schule und Freizeit habe man auch zu Beginn der sechziger Jahre nach wie vor die Jugend für das politische System der DDR gewinnen müssen. Der bisherigen These wird nun anschauliches empirisches Material beigefügt werden können.\"Der nationalkonservative Widerstand in der Historiographie der Widerstandsfor­ schung der SBZ/DDR\" war Gegenstand der Ausführungen von Ines Reich (Potsdam). Am Beispiel von Carl-Friedrich Goerdeler stellte die Referentin die Phasen der publizi­ stischen Auseinandersetzung sowie die vorherrschenden Argumentationstypen dar. Das Verdikt über Goerdeler sei frühzeitig formuliert worden. Bereits 1945 sei in der \"Täglichen Rundschau\" die Auffassung vertreten worden, daß die politische Zielsetzung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 restaurativ gewesen sei. Ab 1949 habe der na­ tionalkonservative Widerstand in der Publizistik der DDR keine Rolle mehr gespielt. Festzustellen sei allerdings auch, daß Graf Stauffenberg stets aus der negativen Ein­ schätzung ausgeklammert worden sei. 362 JHK 1993TagungsberichteLothar Mertens (Bochum) stellte die Zwischenbilanz eines Forschungsprojekts vor, das der systematischen Erfassung der gesperrten Dissertationen in der DDR gewidmet ist. Auf der Grundlage entsprechender Karteien wurden für den Zeitraum 1978 bis 1987 bisher nahezu 7.000 Dissertationen verzeichnet, die mit unterschiedlichen Geheimhal­ tungsstufen versehen waren. Dies entspricht einem Anteil von 16 % aller angefertigten Dissertationen A und B. An einigen Hochschulen und Akademien liege die Quote der nicht zugänglichen Arbeiten deutlich über einem Drittel. Ein proportionales Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der an einer Hochschule eingereichten Dissertationen und der Zahl der Sperrvermerke lasse sich jedoch nicht feststellen. Auch aus der Themenstellung lasse sich nicht immer auf die Begründung einer Geheimhaltung schließen. Daß die Sperrung häufig nicht durch die Schutzwürdigkeit der Ergebnisse veranlaßt, sondern auch mit der Zusammensetzung der Prüfungskommission zusammenhing, lege die Tat­ sache nahe, daß eine signifikante Zahl von Sperrvermerken später überraschend wieder gestrichen wurde. In der Diskussion hoben die Wissenschaftler aus den neuen Bundes­ ländern hervor, daß der informelle Austausch zwischen den Bearbeitern verwandter Themen trotz aller Geheimhaltungsstufen funktioniert habe.In seinem Vortrag \"Aufbruch und Überleitung des DDR-Rundfunks von Oktober 1989 bis Oktober 1990\" stellte Stefan Wortmann (Mannheim) die Konzeption seiner Magisterarbeit vor. Gegenstand der Untersuchung sind das Verhalten der Mitarbeiter des DDR-Rundfunks während der Wende sowie die folgenden Strukturveränderungen bis zur staatlichen Einheit im Oktober 1990. Die Diskussion konzentrierte sich insbesondere auf die Überlebensfähigkeit \"autochthoner\" Reformvorstellungen im Widerstreit mit der westlichen Einflußnahme auf die Rundfunklandschaft in den neuen Ländern.Ralf Eicher (Mannheim) erläuterte erste Überlegungen zu den Entstehungsbedingun­ gen einer gesamtdeutschen politischen Kultur, die das Untersuchungsfeld seiner Magi­ sterarbeit ist. Sie soll vor allem der Frage nachgehen, in welchen Bereichen der Meinun­ gen, Einstellungen und Verhaltensweisen in den vier Jahrzehnten deutscher Teilung un­ terschiedliche Voraussetzungen entstanden sind. Da die Arbeit sich noch im Vorberei­ tungsstadium der Literatursichtung und Quellenauswahl befand, stand in der Diskussion die Eingrenzung der Fragestellung im Vordergrund.Das IX. Kolloquium zur Geschichte der DDR bot interessante Vorträge und anre­ gende, vielfach auch kontrovers geführte Diskussionen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs war es eine willkommene Gelegenheit, vor sachkundigen Gesprächspartnern Fragestellungen zu präzisieren und Zwischenergebnisse zur Diskussion zu stellen. Dar­ über hinaus war die Veranstaltung ein gutes Erfahrungsfeld im noch ungeübten Dialog zwischen Doktoranden und jüngeren Wissenschaftlern aus Ost und West. Bei aller Of­ fenheit im Gespräch zeigte sich doch gelegentlich, daß es die eine oder andere Verstän­ digungsschwierigkeit noch abzubauen gilt. Angesichts der vereinigungsbedingten Spar­ zwänge, die paradoxerweise die öffentliche Förderung der DDR-Forschung besonders betreffen, sei der bewährten Tagung der Ost-Akademie Lüneburg noch eine fruchtbare Zukunft gewünscht.

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